Eine Mutter ist verzweifelt: Wo steckt meine Nadine?
Die 30-Jährige verschwand vor drei Tagen. Eine unbekannte Frau rief Dagmar Engelhardt an und sagte, ihre drogensüchtige Tochter liege tot im Bad.
NÜRNBERG Dagmar Engelhardt (60) hat seit drei Tagen nicht geschlafen, sie kann nichts essen, starrt den ganzen Tag auf ihr Handy. Die Rentnerin wartet auf einen Anruf von ihrer Tochter Nadine. Doch möglicherweise kann die 30-Jährige nicht mehr telefonieren. Denn angeblich ist sie tot.
Das behauptete zumindest eine unbekannte Frau, die nachts bei Dagmar Engelhardt anrief. Seitdem wartet die Mutter auf ein (Lebens-)Zeichen. „Die Ungewissheit ist furchtbar“, sagt sie leise, „wo ist Nadine?“
Am Sonntagmorgen hatte die drogenabhängige Nadine sich bei ihrer Mutter noch Braten mit Klößen gewünscht. „Ich muss mich erst gesund machen, vorher kann ich nichts essen“, sagte die junge Frau. Sie band die dunklen Haare zu einem Zopf zusammen, zog ihre grüne Strickjacke an und ihre neuen Jeans mit den silbernen Taschen. Dann ging sie – um sich Drogen zu besorgen und zu spritzen.
Vergeblich wartete die Mutter mit dem Mittagessen auf Nadine. Auch abends kam sie nicht nach Hause. Gegen 23 Uhr klingelte dann das Telefon in der Zwei-Zimmer-Wohnung im Nürnberger Stadtteil Nordostbahnhof.
"Die Nadine liegt im Bad. Ich habe versucht, sie wiederzubeleben"
Eine unbekannte Frau meldete sich. „Sie sagte zu mir: ,Die Nadine liegt im Bad. Ich habe versucht, sie wiederzubeleben. Aber sie ist gestorben.’“ Verzweifelt versuchte Dagmar Engelhardt, mehr Informationen zu bekommen: „Wo ist mein Kind? Wo wohnen Sie? Was ist denn los?“ Sie habe die Frau schlecht verstanden: „Sie stand wohl unter Drogen. Dann hat sie aufgelegt.“
Die Mutter ist verzweifelt. Seit dem 16. Lebensjahr ist Nadine drogensüchtig. „Ein Junge aus der Nachbarschaft hat sie an die Nadel gebracht“, erinnert sich Dagmar Engelhardt. Während Nadines ältere Schwester heiratete und Kinder bekam, rutschte das Mädchen immer mehr ab. „Sie war so ein liebes Kind. Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe“, sagt die Mutter.
Die zierliche Nadine beklaute ihre eigene Oma, schnorrte bei den Nachbarn, zertrümmerte die Einrichtung, wenn die Mutter sie in ihrer Verzweiflung einsperrte. „Vermutlich hat sie auch Sex für Geld gemacht. Zehnmal war sie bestimmt schon im Gefängnis, ich habe ihr immer gute Anwälte besorgt“, erzählt die Mutter. Doch für ihre Tochter machte sie gern Schulden: „Sie ist doch mein Kind!“
In letzter Zeit ging es der Drogenkranken immer schlechter: „Sie hatte extreme Magersucht, hat alles ausgebrochen.“ Trotzdem gab die Mutter nie die Hoffnung auf, dass ihre Tochter es aus dem teuflischen Drogenkreislauf schafft – bis zu dem verhängnisvollen Anruf Sonntagnacht.
Die Polizei hat nach einer Vermisstenanzeige bereits die Krankenhäuser abgeklappert und auch Nadines Freund Vitali im Gefängnis besucht. Doch der sagt nicht, wo sich das Paar immer mit Drogen versorgt hat. Die Mutter: „Ich hoffe, dass sich diese Frau nochmal meldet. Ich muss wissen, wo Nadine ist. Aber ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.“
Andrea Uhrig
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