Eine Frau auf dem Sprung ins fremde Bad
Doppelter Kunstgenuss im Nürnberger Galeriehaus Defet: Fotografien von Heike Aumüller und Malerei im Grenzbereich zwischen abstrakter und figurativer Kunst
Heike Aumüller ist eine Frau auf dem Sprung. Was das heißt, ist unter dem Titel „The zeroes and ones make the Word in her Camera“ beim Institut für moderne Kunst im Galeriehaus Defet zu sehen (bis 5.2.). Der Weg dorthin lohnt sich allein schon Aumüllers wegen und doppelt durch die am heutigen Samstag gleichzeitig eröffnete Schau der Galerie Oechsner, in der sich vier Positionen der Malerei als stimmige Einheit präsentieren.
Heike Aumüller hat in Karlsruhe eigene vier Wände, lebt aber meist in fremden, ihr von den abwesenden Besitzern überlassenen Wohnungen. Sie liest deren Bücher, schläft in deren Bett und isst von ihren Tellern, vor allem nutzt sie deren Räume aber für ihre Selbstinszenierungen. Wenn die 41-Jährige eine fremde Wohnung betritt, weiß sie nicht, was mit ihr dort passieren wird. Das, was sie „Hinstreben zur Begegnung mit dem Raum“ nennt, ist ein „langsamer, improvisierter Arbeitsprozess“. Das Material dabei ist ihr Körper, Arbeitsgerät ihre Kamera. Helfer hat Aumüller keine, was überrascht. Unglaublich, dass Aufnahmen von dieser Qualität mit Selbstauslöser möglich sind. Erstaunlich, dass Aumüller die teilweise schon akrobatischen Leistungen bei den Inszenierungen ohne Hilfestellung unfallfrei überstanden hat.
Wie eine lieblos ins Eck gedonnerte und dabei zerbrochene Puppe ist Aumüller in einem Treppenhaus zu sehen, zum Wegwerfen bestimmt wie der Bauschutt zu ihren Füßen. Nur mit Gummistiefeln bekleidet sitzt sie auf dem Holzboden eines alten Bauernhauses – verstaubt und vergessen. Zwischen Ober- und Unterschrank eines Küchenbuffets gequetscht, wirkt sie wie ein Gegenstand, der sonst nirgends Platz fand. Befreiend dagegen ihr Nackt-Hochsprung im Badezimmer. Die Frau, die sich wie ein Parasit in fremde (Wohn-)Körper einnistet, wird eins mit ihnen und bleibt doch höchst irritierender Fremdkörper. Im ersten Augenblick durch Ironie und Groteske erheitert, stellt sich schnell ein Gefühl von Beklemmung und Unwohlsein ein bei der Betrachtung der auf die Wand tapezierten Fotos und der Videoarbeit „Blindlings“, in der sich zwei Menschen zwanghaft Lehm auf den Kopf und ins Gesicht schmieren.
In den Grenzbereich zwischen abstrakter und figurativer Malerei führt „Corridor“, die Ausstellung in der Galerie Oechsner (bis 29.1.). Zu einem harmonischen Ganzen fügen sich dort die Werke von Robert Holyhead, der die Sprache des Abstrakten erforscht und ihr mit seinen Arbeiten einen weichen Akzent verleiht; von Jürgen Bräumer, der sich was Form und Farbe betrifft dagegen klar und deutlich und mit Ironie ausdrückt; von Jens Wolf, der aus der Geschichte der abstrakten Kunst zitiert, und Aurelia Gratzer, die Architektur in Flächen, Formen und Muster zerlegt, um aus ihnen neue Räume zu schaffen. Ute Maucher
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