Ein Musical als Umzugshelfer: Pop, Liebe und Polit-Aufmucke

Die AZ sprach mit Schauspieldirektor Klaus Kusenberg über seine Inszenierung von Willy Russells „Blutsbrüder“
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Die „Blutsbrüder“  im Nacken: Schauspieldirektor und Regisseur Klaus Kusenberg, der am 22. Mai mit  Willy Russels Musical  in der Tafelhalle Premiere feiert.
Berny Meyer Die „Blutsbrüder“ im Nacken: Schauspieldirektor und Regisseur Klaus Kusenberg, der am 22. Mai mit Willy Russels Musical in der Tafelhalle Premiere feiert.

NÜRNBERG - Die AZ sprach mit Schauspieldirektor Klaus Kusenberg über seine Inszenierung von Willy Russells „Blutsbrüder“

Sozialkritik und Liebe, getrennte Zwillinge, die Wirkung von Reichtum und Armut, Popmusik, ein tragisches Ende – Willy Russells Musical „Blutsbrüder“, das am 22. Mai Premiere in der Tafelhalle feiert, hat schlicht alles, was ein Musical bieten kann – außer Showtreppen und Kronleuchtern. Das findet auch der inszenierende Schauspieldirektor Klaus Kusenberg, der außerdem ganz praktische Gründe hat, das britische Erfolgsstück (viermal als bestes Musical in London ausgezeichnet, sieben Tony-Nominierungen, von der New York Times zum „Most Popular British Musical Of All Time“ gewählt) mit seinem Schauspiel-Ensemble auf die Bühne zu stellen: „Der Auslöser war eigentlich, dass wir ein Stück gesucht haben, das wir vor und während dem Umzug En-suite 30 mal in Folge spielen können. Also musste es ein Stück sein, das auch das Publikum dazu zieht. Da war ein Musical ideal – vor allen Dingen, da wir auch die Schauspieler dazu haben.“

Berührungsängste mit der im angelsächsischen Raum durchaus normalen Kombination von ernsten Themen wie der deutlichen Sozialkritik mit der unterhaltsamen Form hat Kusenberg kaum: „Blutsbrüder lebt das ganze Stück hindurch von den Schauspielern. Die gespielte Geschichte steht im Vordergrund, sie lebt von den Emotionen und Erfahrungen der Schauspieler. Wir brauchen keine exzellenten Tänzer und Sänger, die nichts anderes tun als tanzen und singen.“

Da ist es stringent, dass die Bühnendekoration spartanisch ist – viel Oberflächenreiz braucht das Stück nicht. Die Lichtregie ist dafür um so anspruchsvoller, erklärt der Regisseur: „Die schnellen Beleuchtungswechsel waren ganz schön aufwendig. Und dazu kommt die Musik. Da muss jeder Einsatz stimmen.“ In der englischen Fassung des Autoren und Komponisten Russell stehen die Songs immer im Fokus. Nicht zuletzt deshalb verpflichtete das aktuell inszenierende Londoner Phoenix-Theater das Ex-Spice Girl Mel C. als „Mrs. Johnstone“. Titel wie „Tell me it's not true“ haben es sogar bis in die Charts geschafft. Aber die Lieder sollen nicht nur gut klingen – sie müssen verstanden werden, da sie die Handlung weitererzählen. Daher hat sich Klaus Kusenberg für eine deutsche Übersetzung entschieden. „Wenn man nur die Lied-Texte liest, kann man schon den Eindruck haben, dass das etwas holprig ist. Gesungen funktionieren die deutschen Texte sehr gut. Aber ohne Bettina Ostermeier, die die Musik arrangiert hat, hätte ich mich das nicht getraut.“

Von der originalen Aufführung wird sich die Nürnberger Version nicht weit entfernen, auch die Struktur bleibt – das Ende wird vorweggenommen, das Stück erzählt, wie es dazu kam: „Ich habe nicht das Gefühl, dass man diese Geschichte anders erzählen könnte, als das in London geschieht. Die ist ja sehr mit der Musik verknüpft. Da gibt es eben eine Note an einer bestimmten Stelle. Das kann man nur sehr schwer gegen den Strich bürsten.“

Musikalisch dagegen entfernen sich Kusenberg und Ostermeier vom Synthie-lastigen Original. Statt artifizielle Klänge aufeinander zu schichten, spielen sieben Musiker live hinter der Bühne. Da könnte die Verbindung von Pop und politischem Aufmucken – Blutsbrüder entstand auch als Gegenreaktion auf den Neo-Liberalismus der Thatcher-Ära – 27 Jahre nach der Erstaufführung erneut spannend werden. Ab 22. Mai, in der Tafelhalle. Martin Mai

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