Ein Leben mit Tragödien: Wie viel Leid kann eine Mutter ertragen?
NÜRNBERG - Gestern trug Sonja S. ihre Tochter Andrea (18) zu Grabe, sie war tödlich verunglückt. Ihre beste Freundin verlor sie durch einen Mord – und ihr Ex soll der Mörder sein!
Gestern wurde Andrea W. beerdigt. Die junge Frau wurde nur 18 Jahre alt. Sie starb, als sie – auf der Straße liegend – nach der Großgründlacher Kirchweih überfahren wurde (AZ berichtete). Für ihre Mutter Sonja S.(Name geändert) ist der Unfalltod der Tochter eine Katastrophe – eine von vielen. Denn sie wird vom Schicksal immer wieder gebeutelt: Ihre Tochter ist tot, ihre beste Freundin ermordet – und der Täter soll ihr Ex-Ehemann Peter sein!
Peter S. wird im Oktober vor Gericht stehen. Der Vorwurf: Mord! Und eine Schlüsselrolle in dem Prozess mit 500 (!) Zeugen wird seine Tochter Maren* spielen, die ältere Schwester des gestern beerdigten Unfallopfers Andrea. Rückblick: Peter S. (45) aus Erlangen soll am 5. März 1999 die Arzthelferin Susanne Mally in einer Erlanger Tiefgarage erstochen haben. Erst nach neun Jahren waren die Ermittler auf seine Spur gekommen – und auf sein Motiv. Peter S. soll seine Tochter Maren missbraucht haben. Und Maren wiederum soll sich Susanne Mally, der besten Freundin ihrer Mutter, anvertraut haben.
Den sexuellen Missbrauch seiner Tochter hat Peter S. zugegeben – dass er danach von Susanne Mally unter Druck gesetzt worden sein soll, beispielsweise zur Polizei zu gehen, bestreitet er. Und auch, Susanne Mally deshalb getötet zu haben. Klar ist: Seine Tochter Maren wird eine Hauptrolle in dem Mammut-Prozess spielen. Deshalb waren die Polizisten, die den Unfall am 11. August auf der Verbindungsstraße von Großgründlach nach Tennenlohe, bei dem auch Andrea Ws. Freund Ingo M. (33) starb, elektrisiert, als sie den Namen des Unfallopfers erfuhren.
Die Ermittler mussten deshalb auch einem ungeheurlichen Verdacht nachgehen: Könnte es sein, dass jemand der wichtigen Zeugin nach dem Leben trachtet? Und sie vielleicht mit der Schwester verwechselt hatte? Doch die Ermittler fanden keinen Hinweis darauf, dass es sich nicht um einen Unglücksfall handelte. Ein Hinweis in einer grausam langen Kette, die seit Jahrzehten das Leben von Sonja S. bestimmt. Erst vor kurzem berichtete die Abendzeitung ausführlich über die Frau, die mit dem mutmaßlichen Mally-Mörder verheiratet gewesen ist.
Auch die Mutter erfuhr erst im Zuge der Ermittlungen im Jahr 2008, dass ihre Tochter Maren vom eigenen Vater missbraucht worden war. Und sie erfuhr erst da, weshalb ihre beste Freundin vermutlich sterben musste. Die leidgeprüfte Frau machte jetzt reinen Tisch, ging zur Polizei – und zeigte auch noch den Bruder ihres Ex-Mannes an. Konrad hatte sie jahrelang sexuell missbraucht, auch ihr Ex-Mann schützte sie davor nicht: „Der meinte, ich hätte ihn bestimmt gereizt.“ 1995 gelang ihr die Flucht aus der Horror-Familie, die Kinder blieben beim Ex-Ehemann. Außer Andrea: Sie kam mit der Mama. Sonja S. zur AZ: „Ich habe meiner Tochter Maren immer eingeschärft, sie solle sich vor Konrad in Acht nehmen.“ Dass die Gefahr vom Vater drohte, ahnte sie nicht.
Kornad S. wurde wegen dreier brutaler Vergewaltigungen angeklagt, einmal drohte er sogar damit, das Baby seiner Schwägerin zu ersticken, sollte sie ihm nicht gefügig sein. Er erhielt im Februar 2009 ein mildes Urteil: zwei Jahre Haft auf Bewährung. Vor Gericht beteuerte er, wie leid ihm die Übergriffe tun: „Ich bitte sie um Verzeihung.“ Die Schwägerin war mit dem Urteil zufrieden: „Ich fühle mich durch sein Geständnis rehabilitiert. Ich dachte doch jahrelang, mir würde niemand glauben.“ Seit dem Prozess im Februar dieses Jahres ging es Sonja S. wieder gut, sagt sie. Der einzige Termin, der sie an die grausige Vergangenheit erinnerte, war ihre bevorstehende Zeugenaussage im Prozess gegen ihren Ex-Mann.
Ihr Leben schien endlich wieder lebenswert. Bis zum 11. August. Bis sie erfuhr, dass das Schicksal sie noch nicht aus den Fängen gelassen hatte, dass ihre jüngste Tochter Andrea nicht mehr lebt. Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen? Susanne Will