Ein Koch packt aus: Die Ekel-Tricks der Wirte

Katze im Hackfleisch, Eiter in der Pizza: Der Küchenmeister Andreas Hein enthüllt, wie Wirte panschen und betrügen
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Schnüffeln, ob’s noch gut ist: Eine Lebensmittelkontrolleurin überprüft ein Gericht.
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Koch, Küchenmeister und  Kritiker der eigenen Zunft: Andreas Hein (48).
Gregor Feindt 2 Koch, Küchenmeister und Kritiker der eigenen Zunft: Andreas Hein (48).

NÜRNBERG - Katze im Hackfleisch, Eiter in der Pizza: Der Küchenmeister Andreas Hein enthüllt, wie Wirte panschen und betrügen

Eine Nudel hält länger – wenn der Koch wirklich will. Am ersten Tag als Beilage, am zweiten mit Tomatensoße, am dritten mit Arrabiata, am vierten in der Kräuterschwenkpfanne, am fünften als Auflauf mit Gemüse, am sechsten Tag als vegetarisches Schnitzel und am siebten Tag in Teig gerollt als Strudel. Am achten Tag kommt der ranzige Teiglappen in den Mixer. Als Grundlage für die scharf gewürzte Suppe. Das nennt man Effizienz. Andreas Hein nennt es Betrug à la carte. Der bayerische Küchenmeister (48) hat 30 Jahre lang in ganz Europa gekocht – er arbeitete bei heutigen Meistern wie dem Katalanen Ferran Adrià im „elBulli“, im Interconti-Hotel in Berlin oder im Münchner„Villa Flora“, kochte aber auch bei echten Ekel-Wirten. Wie die ihre Gäste über den Tisch ziehen, schildert er in seinem „Schwarzbuch Gastronomie“ unter dem Pseudonym Julius C. Saar (Books on demand; 9,80 Euro).

Darin enthüllt Hein eine neue Variante für die Nudel (als Füllung für den Truthahnbraten) und andere Sauereien, die Lust machen, wieder mal selber zu kochen. 50 Prozent durchschnittlicher Großstadt-Wirte bescheinigt Andreas Hein „erhebliches kriminelles Potenzial“. Wie der Katzenmetzger. 1989 arbeitet Geselle Andreas Hein in einem Münchner Gasthaus. Die Kollegen drehen Rind durch den Fleischwolf – im Hof, weil’s innen so heiß ist. Da plumpst eine Katze vom Dach direkt in den Drehwolf. Ihr Schwanz gerät zwischen die scharfen Blätter, Haare, Knochen und Knorpel mischen sich mit dem Hack. Wegschmeißen? Nicht doch. „So fein gemahlen, das schmecken die nie.“

Faulheit? Sadismus? Eher Geldnot, meint der Profi: „Die meisten Wirte haben keine Ahnung von der Branche.“ Behördliche Schranken gibt es kaum: „Wer Wirt werden will, muss nur vier Stunden Unterricht bei der Industrie- und Handelskammer belegen – ohne Prüfung.“ Da kann’s schnell passieren, dass der Wirt falsch rechnet – und weniger verkauft als erhofft. Nach einiger Zeit setzt das teure Fleisch einen seifigen Schmierfilm an, doch der geht mit Essig und Scheuerbürste locker wieder ab, weiß Hein. „So hält jedes Fleisch drei Wochen lang“ – und landet als „scharfes Zigeunergulasch“ auf dem Tisch. Um zu sparen, serviert der Italiener Vitello Tonnato aus Schwein, obwohl „Vitello“ Kalb heißt.

Gleiches Bild beim Kalbsrahmgeschnetzelten, der angeblichen Kalbsleber aus Rind oder dem Whisky vom Discounter, den der Wirt in die Originalflasche umgefüllt hat. Und der vergammelte Salat wird zur „legierten Rahmsuppe von Kopfsalatherzen mit Räucherlachsbrunoise“.

Am teuersten aber ist Personal – viele Küchen sind knapp besetzt. „Da kann sich der erkältete Küchenhelfer nicht einfach auskurieren. Auch wenn er das fünfte Mal auf deine Seezunge niest.“ Hein sah Kollegen, die mit Hepatitis-C „fröhlich weiterkochten“, Pizzateig mit „eitrigen Händen“ kneteten und blutige Pflaster im Hackbraten verloren. Die Reaktionen auf Heins „Schwarzbuch“ waren knackig: Unbekannte schimpften ihn „geldgeiler Penner“ oder „altes Arschloch“ – für ihn zeigt das, wie Recht er hat. „Ich überlege, einen zweiten Teil zu schreiben. Das Thema ist noch lange nicht ausgeschöpft.“ Thomas Gautier

Wie es in Nürnberg mit der Lebensmittelkontrolle aussieht - und wie man ein sauberes Restaurant erkennt, das lesen Sie in der Mittwochs-Ausgabe der Abendzeitung.

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