Ein Dorf wird Kunstwerk
Hersbruck - Entmersberg in Mittelfranken wurde zur Einwohner-Galerie, weil sich die Dorf-Bewohner von Walter Bauer und Rainer Wrede haben porträtieren lassen. Die Ergebnisse zeigt eine Ausstellung in Hersbruck
Bratwürste und Bier bei Blasmusik schmecken anders als Lachs und Prosecco zu Ambient-Klängen. Die Galerie des Architekten Ulli Olpp in Algersdorf bei Kirchensittenbach sieht anders aus und fühlt sich anders an als eine x-beliebige in Berlin Mitte oder Schwabing. Nur logisch, dass die Vernissage in Olpps umfunktionierter Scheune andere Kunst vorstellt.
Eine, die sich zurück- und weniger wichtig nimmt als die dargestellten Realitäten. In Entmersberg und Algersdorf, lieblich in die Hersbrucker Schweiz gekuschelten Weilern, wo die Menschen schroff aber herzlich sind, ist sie angekommen, die Kunst von Walter Bauer und Rainer Wrede. Entmersberg wurde zur Kunst: Jeder der 20 Bewohner und (fast) jedes Stalltier ließ sich von Wrede fotografieren und anschließend von Turbo-Maler Bauer in Öl verewigen. Jetzt sind die Werke im Hersbrucker Stadthaus zu sehen.
„Und wie viel soll das kosten, wenn ich das Bild behalten will?", fragt der Algersdorfer Landwirt, der im Nachbardorf der Porträtierten die Rolle des Grantlers, Nein-Sagers und Querulanten spielt. „200 Euro", antwortete der Maler aus der Stadt. Der Misanthropen-Bauer fragt: „Wann kannst vorbeikommen?" Zur Ausstellungseröffnung in Olpps Scheunen-Atelier kamen zwei Dörfer vorbei.
Das von Walter Bauer praktizierte Anti-L'Art Pour L'Art trifft Volkes Nerv, weil sich die Kunst in den Dienst des Volks stellt. 2007 zum Beispiel in den der Fürther Müllmänner. Dieser Tage in den streikender Milchbauern und gelangweilter Dorfschönheiten, umtriebiger Zugereister und knöchern Verwurzelter, vom Aussterben bedrohter Bienenvölker und greiser Imker. Authentizität bleibt kein Versprechen, und die Kirche im Dorf. Wenn der Lederer Andreas seinen Trecker fährt, der Wrede ein Foto davon macht, und der Bauer ein dickstrichiges, farbenfrohes Porträt vom Lederer fertigt, bleibt sein Lächeln echt, und Normalität der Maß der Dinge.
Eine nicht immer einfache, fröhliche Normalität, die durch Milchpreis-Senkungen gefährdet ist, deren Glück mit Bier, Blasmusik und Bratwürsten aber dauerhafter scheint als urbanes Prosecco-Amusement. Steffen Windschall
Stadthaus Hersbruck (Am Schlossplatz 4a): bis 1. 9., Mo-Do 8-16, Fr 8-11.30 Uhr
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