Ein Café mit Geschichte
AZ-Serie "Kaffee & Kuchen": Die Konditorei Böckler stand schon vor dem Zweiten Weltkrieg auf dem Hans-Sachs-Platz
NÜRNBERG Nur die wenigsten Nürnberger Gaststuben weisen so eine bewegte Geschichte auf wie das Café Böckler am Hans-Sachs-Platz. Schon vor 50 Jahren stand es hier - und zwar als erstes und einziges Haus im Umkreis.
Der 87-jährige Café-Eigentümer Helmut Böckler erinnert sich noch genau an diese Zeit: „Als wir 1960 das Gebäude wiederaufgebaut haben, war rundherum nur ein leerer Platz." Fünfzehn Jahre zuvor hatten gegen Kriegsende Bomben das ganze Viertel dem Erdboden gleich gemacht. Auch vom Café, das Helmut Böcklers Eltern bereits 1927 gekauft hatten, war nach dem Angriff am 2. Januar 1945 nichts als Trümmer übrig. Trotzdem hatte die Familie Glück im Unglück, erzählt Helmut Böckler: „Meine Mutter ist eigentlich nie in die Bunker – außer an diesem Tag. Als sie wieder rauskam, war alles auf dem Platz verbrannt. Aber meine Mutter hat überlebt." Die Totalzerstörung des Cafés war für die Familie ein harter Schlag. Auch für Sohn Helmut, der mit seinen zwei Brüdern praktisch in der Backstube aufgewachsen ist.
"Pina Colada - was ist das eigentlich?"
Doch der junge Mann, der Konditor lernte, ließ sich nicht entmutigen. Nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, fing Helmut Böckler wieder in seinem Ausbildungsbetrieb, der Konditorei Wellhöfer, an und legte dort seine Meisterprüfung ab. 1960 heiratete der damals 37-Jährige und wagte im selben Jahr den mutigen Schritt, in nur neun Monaten das ursprünglich nur 7,7 Meter breite Café seiner Eltern in vergrößerter Form wieder aufzubauen. Im Herbst eröffnete Böckler das neue Konditorei-Café auf dem leeren Platz, auf dem nur noch die Hans-Sachs-Statue stand. „Auch meine Frau war anfangs skeptisch", weiß der rüstige Senior-Konditor noch. Doch sein Mut wurde belohnt: Böcklers Gebäck, seine Pralinen, Torten und Marzipanfiguren zogen immer mehr Nürnberger an. Über 20 Jahre lang backte der Konditor selbst und formte täglich zahlreiche Köstlichkeiten vom Hefegebäck über Lebkuchen bis zu Hochzeitstorten.
„Und das ganz ohne elektrische Mixer und Handrührgerät", bewundert Iva Matschewsky, die jetzige Café-Pächterin, die handwerkliche Leistung. Seit zwei Jahren bäckt und kocht dort die Wahl-Fränkin, deren Wurzeln in Tschechien, Österreich und Ungarn liegen. „Ich habe viele Geheimrezepte, die ich niemals rausgebe, zum Beispiel von meiner Oma", betont Iva Matschewsky. Einerseits kommen hausgemachte Kuchen wie Bienenstich, Käse- oder Apfelkuchen, aber auch moderne Varianten wie Früchte-Mascarpone, Eierlikör- oder Pina-Colada-Torte auf den Tisch. Andererseits serviert die passionierte Köchin auch deftige Speisen wie die Gulasch-Suppe nach Großmutters Geheimrezept und Snacks für großen und kleinen Hunger. Daher auch die neue Bezeichnung Bistro mit dem alten Namen Böckler.
„Bistro haben wir damals genauso wenig gekannt wie Pina Colada was ist das eigentlich?", fragt der 87-jährige Eigentümer. Mit dem Namen neumodischer Ananas-Kokos-Getränke weiß Helmut Böckler wenig anzufangen. Dennoch schwärmt er für die selbstgemachten Kuchen seiner Pächterin und kommt immer wieder mit Familie oder Bekannten zum Kaffeetrinken. Dass das Café Böckler am Hans-Sachs-Platz in diesem Sommer 50. Jubiläum nach dem Wiederaufbau feiert, freut den rüstigen Nürnberger sehr. „Das hätte ich vor 50 Jahren nicht gedacht." Vor allem ist der 87-Jährige froh, dass er sein Café, das er erst in den 1980ern verpachtete und das noch heute seinen Namen trägt, bei Iva Matschewsky in guten Händen weiß. Böckler betont nochmals: „Ihre Kuchen sind einmalig."
Café-Bistro Böckler,
Hans-Sachs-Platz 8, Nürnberg, Tel.0911/23294, Öffnungszeiten, täglich 9 bis 19 Uhr.
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