Eifrig am Eklat flicken

Der Fürther Kritiker Bernd Noack sucht „Theaterskandale“. Fündig wird er weder im Großraum noch in der Gegenwart und erst recht nicht bei der Oper, sondern in der Vergangenheit.
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Mitauslöser der „Ekeltheaterdebatte“ 2006 und dennoch kein richtiger Skandal: „Macbeth“ in der Regie von Jürgen Gosch.
Berliner Festspiele Mitauslöser der „Ekeltheaterdebatte“ 2006 und dennoch kein richtiger Skandal: „Macbeth“ in der Regie von Jürgen Gosch.

NÜRNBERG - Der Fürther Kritiker Bernd Noack sucht „Theaterskandale“. Fündig wird er weder im Großraum noch in der Gegenwart und erst recht nicht bei der Oper, sondern in der Vergangenheit.

Waren das noch Zeiten, als sich honorige Bürger wegen einer Rollenbesetzung an den Kragen gingen! Als richtig was los war in den Theatersälen, sich Bühnengeschehen, Publikum und Blätterwald gegenseitig zu Höchstleistungen im Krakeelen antrieben und Autoren wie Schiller, Schnitzler oder Bernhard Zensur, Aufruhr und Widerstand provozierten...

Vorbei, ein für allemal, behauptet der Fürther Theaterkritiker Bernd Noack in seinem Nachruf „Theaterskandale von Aischylos bis Thomas Bernhard“. Ungeachtet des Aufmerksamkeit heischenden Titelbildes: Die dort abgebildete Szene aus Jürgen Goschs Düsseldorfer „Macbeth“-Inszenierung mit nackten Männern, Blut und Schokopudding, die 2006 Mitauslöser für eine leidige Ekeltheaterdebatte war, ist Noack ein Achselzucken wert.

Ein echter Skandal muss über das Theater hinausgehen, einen eigenen theatralen Moment besitzen und sich in den Medien gut verkaufen lassen. Vor und zwischen den Weltkriegen macht Noack deshalb eine Blütezeit der Skandale aus. Nach dem Krieg zählt er die Uraufführungen von Hochhuths Papst-Stück „Der Stellvertreter“, Fassbinders des Antisemitismus verdächtigen „Die Stadt, der Müll und der Tod“ und Bernhards „Heldenplatz“ auf, Inszenierungen, die politisch erregten, nicht aber ästhetisch.

Ohne sein Material einzuordnen, es zu bewerten, fügt Noack auf seiner Skandal-Recherche Theateranekdoten, Rezensionen und Interviews aneinander. Auch auf Inszenierungen der Metropolregion geht er ein. Orte nennt er nicht: Man muss schon raten, um hinter seiner Notiz zu „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ die Erlanger Inszenierung zu entdecken oder hinter einem Skandälchen mit Minetti einen Bernhard-Abend in Fürth. Diese Provinz-Possen dienen ihm dazu, seine These zu stützen: In der Gegenwartsgesellschaft gibt es keine Skandale mehr.

Ein wesentliches Manko: Oper findet nicht statt. Dabei haben sich hier noch bis weit in die Neunziger Jahre hinein auch in Nürnberg handfeste Skandale um ästhetische Herausforderungen abgespielt, in denen die berüchtigte Trias — Bühne, Publikum und Presse — hysterisch am Eklat flickten. Ein Register sucht man vergeblich; die Kapitel helfen kaum bei der Orientierung. Sicher, gegen Ende rundet sich das Bild eines Sprechtheaterskandals alter Schule (postdramatisches Theater etwa spielt keine Rolle). Aber ob man dafür ganze 272 Seiten braucht?Georg Kasch

Bernd Noack: Theaterskandale (Residenz Verlag, 272 Seiten, 22 Euro).

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