Drama am Gleisübergang: Vorwürfe gegen die Bahn
Ein Experte klagt an: Mit einfachsten Mitteln könnte der Konzern Menschenleben retten
HERSBRUCK Am 1. Dezember wurde der Albtraum eines jeden Verkehrsteilnehmers traurige Wirklichkeit: Mit seinem Holztransporter blieb ein Lkw-Fahrer auf dem verschneiten Bahnübergang in Pommelsbrunn bei Hersbruck stecken...
Verzweifelt versuchte der 46-Jährige, sein Gefährt von den Schienen zu bringen. Vergeblich – die Schranken senkten sich, wenig später raste ein Regionalzug fast ungebremst in den Laster. Der Fahrer starb noch an der Unfallstelle.
Doch das schreckliche Unglück hätte verhindert werden können. Das sagt Franz Schilberg, Bahn-Experte aus Bergisch-Gladbach: „Mit einem Warnsystem, wie es auch in anderen Ländern eingesetzt wird, wäre der Zug rechtzeitig angehalten worden.“
Als ob das Unglück bei Hersbruck nicht schlimm genug wäre, wiederholten sich am gleichen Tag und am Tag darauf die Szenen: An zwei Bahnübergängen in Norddeutschland schafften es ein Lkw-Fahrer und der Fahrer eines Schneeräumers nicht von den Gleisen – auch sie starben.
Die Bahn verweigert die direkte Auskunft
Tragische Vorfälle, die etwa in der Schweiz so kaum möglich wären, sagt Schilberg. Dort sind fast alle Schranken mit einem Sensor ausgestattet: Klappt eine Schranke nicht ordnungsgemäß herunter, etwa wenn ein Bus oder ein Lkw auf den Schienen steht und die Schranke auf dem Wagen aufschlägt, wird diese Information binnen kürzester Zeit weitergeleitet und eine Tragödie wie die am halbbeschrankten Bahnübergang in Pommelsbrunn verhindert.
Zudem überprüfen an kritischen Bahnübergängen Induktionsschleifen oder Radargeräte, ob die Gleise frei sind. In Deutschland setzt die Bahn nur an so genannten vollbeschrankten Übergängen die Technik ein – halbbeschrankte bleiben ungesichert.
Warum verweigert sich die Deutsche Bahn einer vergleichsweise günstigen Technik, die Menschenleben retten kann?
Auf AZ-Nachfrage wollte ein Pressesprecher der Bahn keine direkte Auskunft erteilen. Er verwies stattdessen auf bahneigene Berechnungen: So sei die Zahl der Unfälle an den 20408 deutschen Bahnübergängen seit 1996 kontinuierlich zurückgegangen. 2008 gab es nur noch 207 Unfälle, 52 davon mit tödlichem Ausgang.
Ob und wie zumindest ein Teil davon mit einfachsten Mitteln hätte verhindert werden können – darüber schweigt sich der Konzern aber aus. Steffen Windschall
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