Diskussion um Luxus-Doku über den Tegernsee: Bürgermeister mit bitterer Einsicht

Dass sich am Tegernsee viele reiche Leute tummeln, ist nichts Neues. Eine Doku zeigt, was das für Einheimische bedeutet. Was sagt man vor Ort zur Diskussion? Die AZ hat nicht nur den Bürgermeister befragt.
von  Natascha Probst
Der Blick ins Tegernseer Tal: Werden die Einheimischen von hier verdrängt? Die Doku "Kampf um den Tegernsee - Reichtum frisst Brauchtum" beschäftigt sich mit der Frage.
Der Blick ins Tegernseer Tal: Werden die Einheimischen von hier verdrängt? Die Doku "Kampf um den Tegernsee - Reichtum frisst Brauchtum" beschäftigt sich mit der Frage. © Moritz Wolf/imageBROKER

In Kaltenbrunn feiert die High Society abgeschirmt und unter sich angeblich bayerische Traditionen beim Almauftrieb, die Niederländerin Lilly Becker präsentiert ihr selbst entworfenes bayerisches Dirndl. Während hier gefeiert wird, ziehen die jungen Einheimischen vom Tegernsee weg, weil sie sich die Mieten und Grundstückspreise nicht mehr leisten können.

Mehr als 130.000 Menschen haben die Doku "Kampf um den Tegernsee – Reichtum frisst Brauchtum" von Filmemacher Claus Elßmann bis Donnerstag bereits gesehen. Seit einer Woche ist die Doku bei Youtube online.

"Invasion der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft"

Sie zeigt, wie die Einheimischen und das Brauchtum immer mehr aus dem Tegernseer Tal verdrängt werden. Man sieht die "Invasion der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft", Bilder von Nobelevents, aber auch Einheimische und Trachtler, die dem Ganzen fassungslos zuschauen. "Aus einer dörflichen Idylle wird eine Bastion für Luxus und Dekadenz", heißt es am Anfang des Films.

"Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen", sagt Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) der AZ über Elßmanns Dokumentation. Damit meint er aber nicht die Partys und die Dirndl, sondern die Wohnungsnot. Es sei Fakt, dass man sich als normale Familie keine Wohnung mehr am Tegernsee leisten könne, so wie in München auch, sagt Hagn. Das sei alles nicht mehr bezahlbar.

Das Video "Kampf um den Tegernsee - Reichtum frisst Brauchtum" 

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

"Auch unsere Mitarbeiter finden keine Wohnung mehr." Und das, obwohl die Gemeinde bereits tue, was sie könne: Die Zweitwohnsitzsteuer etwa würde zu 100 Prozent in Wohnhäuser investiert.

"Es ist ein Spannungsfeld, in dem wir hier leben"

Heimatführer Thomas Tomaschek ist selbst Teil der Doku. Sie sei "sehr gut getroffen", sagt er. "Es ist ein Spannungsfeld, in dem wir hier leben". Der Boden werde immer teurer, die Einheimischen müssten wegziehen – was langfristig auch den Tourismus gefährden würde.

Denn wenn die Jungen gingen, sterbe ein Teil des Vereinslebens, das Brauchtum, die Sprache – also der Grund, warum die Touristen gerne an den Tegernsee kommen, sagt Tomaschek. "Das ist halt keine nachhaltige Entwicklung."

Natürlich sei das Problem aber eigentlich hausgemacht. Denn die einheimischen Bauern seien es schließlich gewesen, die die Grundstücke verkauft hätten.

Die Diskussion um die Traditionen und die Sprache sieht Hagn etwas lockerer. Diese habe es in den 1970er-Jahren schon gegeben. Auch die Bezeichnung "Isarpreißn" dürfe man nicht so ernst nehmen.

Und was die "falschen Dirndl" betreffe, die gar nicht mehr der ursprünglichen Tracht entsprechen – einmal habe jemand zu ihm gesagt: "Sei froh, dass mas wenigstens no wegkennt".

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