Dieser Mann gibt Verbrechern ein Gesicht
Der Nürnberger Kriminal- hauptkommissar Christian Strohmaier ist einer von sieben Phantombildzeichnern in ganz Bayern.
NÜRNBERG Christian Strohmaier gibt Menschen ein Gesicht, von dem andere Menschen in ihren Alpträumen verfolgt werden. Er ist einer von zwei Phantombild-Zeichnern beim Erkennungsdienst im Polizeipräsidium Mittelfranken und muss versuchen, mit viel Einfühlungsvermögen und Geduld aus dem lückenhaften Erinnerungsvermögen der Opfer das Gesicht des Täters zu rekonstruieren. Der Kriminalhauptkommissar und seine Bilder sind oft die letzte Möglichkeit für die Fahnder, einem Täter auf die Spur zu kommen.
Für seine Bilder braucht er keinen Zeichenstift
Dabei kann Christian Strohmaier eigentlich gar nicht zeichnen. Für seine Bilder braucht er auch keinen Zeichenstift mehr, auch die alten Setzkästen sind passe – wichtig ist ihm vor allem viel Freude an Technik. „Ich bin ein Computeranwender“, sagtStrohmaier über seinen Job.
Rund 25 Mal im Jahr sitzen er und sein Kollege Thomas Burkhardt in ihrem kleinen Büro mit überfallenen Rentnern, vergewaltigten Frauen, mit Zeugen, die mögliche Mörder am Tatort sahen, und mit Opfern von Einbrechern und Trickdieben am Schreibtisch. „Früher waren es rund 75 Phantombilder, die wir jedes Jahr angefertigt haben“, sagt Strohmaier. Heute übernehmen häufig Überwachungskameras die Arbeit der Zeichner. Oft ist Zeugen wie auch Opfern die Anreise – in Bayern gibt es neben den beiden Nürnberger Phantomexperten nur noch drei in München und zwei in Würzburg – schlicht und einfach zu weit.
Auch wenn seine Computerbilder bislang spektuläre Fälle wie den Kopfschuss-Killer, der allein in Nürnberg drei türkische Geschäftsleute erschossen hat, bislang noch nicht dazu beitragen konnten, den mysteriösen Fall zu lösen, ist die Trefferquote gar nicht so schlecht: Bis zu 25 Prozent der Fälle werden dank der Phantombilder aufgeklärt. Strohmaier hat die Zahl selbst ermittelt. „Ich habe Kollegen angeschrieben, nachdem die Fälle gelöst waren. Es hat mich einfach interessiert, ob sich das echte und das gezeichnete Tätergesicht ähnlich sind.“
Probleme mit unterschiedlichen Wahrnehmungen
Anderthalb Stunden dauert es, bis ein Phantombild fertig ist. „Ganz wichtig ist, dass die Leute nicht zu früh zu mir kommen“, erzählt Strohmaier. „Ich hatte mal eine Frau hier, die ist abends überfallen worden und saß am nächsten Vormittag bei mir. Nach einer halben Stunde ist sie zusammengebrochen“, erinnert sich der Polizist. „Wenn etwas passiert ist, dann kann man das Gesicht noch genauso gut nach einer Woche noch beschreiben.“
Ganz wichtig: „Es fällt schwerer einen Bekannten zu beschreiben, als einen Täter, den man nie zuvor gesehen hat. Man muss wirklich mit etwas konfrontiert werden“, so der Kriminaler.
Eine junge behinderte Frau war nach einer Vergewaltigung zu ihm gekommen. Zielsicher suchte sie sich eine von Dutzenden Kopfformen raus, deutete bei „Frisuren, Männer, kurz“ auf einen Schnitt, auch bei den über 60 Kinnformen, 46 männlichen Augenbrauen, 80 Nasen in allen Formen und Ausprägungen zögerte sie nicht. Wo andere lange überlegen und immer wieder rumbessern, machte sie auch bei Ohren, Falten, Stirn und Mund „kurzen Prozess“. „Das Bild war in der Zeitung, am nächsten Tag war der Täter gefasst“, erinnert sich Strohmaier.
Doch nicht immer hat Strohmaier so sichere Zeugen – und zeigt auf drei komplett unterschiedliche Bilder. „So haben drei Leute denselben Mann beschrieben.“
Andrea Uhrig
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