Diese beiden Männer halten die Männlein am Laufen

Touristenattraktion auf dem Hauptmarkt feiert dieses Jahr ihr 500-jähriges Jubiläum. Die AZ guckte einmal hinter die Kulissen...
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Das Männleinlaufen – jeden Tag seit 500 Jahren um 12 Uhr ein echter Hingucker. Damit sich die Figuren auch bewegen ist eine komplexe Mechanik nötig. Die ist seit 500 Jahren zwar immer wieder erneuert worden, aber die Funktionsweise blieb die Gleiche.
Berny Meyer 3 Das Männleinlaufen – jeden Tag seit 500 Jahren um 12 Uhr ein echter Hingucker. Damit sich die Figuren auch bewegen ist eine komplexe Mechanik nötig. Die ist seit 500 Jahren zwar immer wieder erneuert worden, aber die Funktionsweise blieb die Gleiche.
Anton Baron überprüft die Funktion der sieben Kurfürsten. Er arbeitet für das Hochbauamt und ist der Verantwortliche für das Männleinlaufen.
Berny Meyer 3 Anton Baron überprüft die Funktion der sieben Kurfürsten. Er arbeitet für das Hochbauamt und ist der Verantwortliche für das Männleinlaufen.
Das fast zwei Meter lange Uhrwerk wird von Glockenbauer Matthias Riedel gewartet – er ölt die Zahnräder mit Knochenöl.
Berny Meyer 3 Das fast zwei Meter lange Uhrwerk wird von Glockenbauer Matthias Riedel gewartet – er ölt die Zahnräder mit Knochenöl.

NÜRNBERG - Touristenattraktion auf dem Hauptmarkt feiert dieses Jahr ihr 500-jähriges Jubiläum. Die AZ guckte einmal hinter die Kulissen...

„Der is’ a weng a Rambo“, sagt Anton Baron über den Fürstbischof von Mainz. Der Fürstbischof von Mainz tritt nämlich seit 500 Jahren jeden Tag, kurz nach dem 12 Uhr-Läuten, eine Türe auf. Und führt dann die Prozession der Kurfürsten um den König und Kaiser des Deutschen Reiches an. Angekündigt wird der Lauf der Kurfürsten von einem Trommler, zwei Fanfarenbläsern, einem Flötenbläser. Zwei Figuren heben je ein Buch und eine Glocke. Es klackert und rattert unter dem Dach auf dem Hauptportal der Nürnberger Frauenkirche, wenn es 12 Uhr schlägt und das mechanische Spektakel beginnt.

Seit 500 Jahren eine der Hauptattraktionen Nürnbergs

Seit 500 Jahren ist das Männleinlaufen eine der Hauptattraktionen Nürnbergs. Und seit 20 Jahren ist der 60-jährige Anton Baron der dafür zuständige städtische Angestellte. Deshalb weiß er fast alles über diese technische Meisterleistung aus dem Jahr 1509, vollendet von dem Schlosser Jörg Heuss. Hinter dem fast mannshohen Kaiser ist die Mechanik untergebracht. In der Mitte des mit Zahnrädern und Seilzügen vollgestopften Raumes: das rund zwei Meter breite Uhrwerk, das das Glockenspiel sowie die zweieinhalb Meter hohe Uhr von Sebastian Lindenast an der Fassade der Frauenkirche steuert und antreibt. Heute ist auch Matthias Riedel da. Der 35-jährige Regensburger ist eigentlich Glockenbauer. Aber rund einen Monat im Jahr wartet er die mechanischen Uhrwerke der Stadt – im Auftrag von Anton Baron.

Gibt es das Männleinlaufen künftig zwei Mal am Tag?

„Servus Toni“, begrüßt er seinen Kollegen Anton. Die beiden kennen sich schon einige Jahre, man schätzt sich. Und bespricht Projekte. Wie die Idee, das Männleinlaufen künftig mehrmals am Tag laufen zu lassen. Doch das ist nach Meinung der beiden Experten nicht realistisch. Zu hoch wären die Kosten und der technische Aufwand – und würden sich die Kurfürsten zwei Mal am Tag um den Kaiser drehen, dann wäre auch der Verschleiß an der hundert Jahre alten Mechanik doppelt so hoch. Dabei ist das Glockenspiel „trotz der hohen Komplexität sehr gut und störungsfrei konstruiert“, erklärt der Glockenbauer. Von den zwei großen Seil-Trommeln, die das eigentliche Laufen antreiben, geht eine Vielzahl von Seilen weg, so genannte Hammerzug-Drähte. Die drei Millimeter dicken Drähte sind tatsächlich die einzigen Verschleißteile, die regelmäßig ausgetauscht werden müssen. „Und vielleicht alle 50 bis 100 Jahre die Lager“, sagt Anton Baron. Aber die werden von Matthias Riedel regelmäßig geschmiert – mit Knochenöl. Denn das ist auch bei niedrigen Temperaturen noch flüssig.

Das Männleinlaufen gehört der Stadt Nürnberg - nicht der Kirche

Über dem Kirchenschiff, im Dachstuhl der Frauenkirche steht ein riesiger Kasten. In dem befindet sich ein Sandbett, dass im Falle eines Seilbruchs den Aufprall der fünf großen Gewichte dämpfen soll. Die schweben in acht Metern Höhe und treiben die riesige Spieluhr an – seit 500 Jahren: Während die Gewichte an den Seilen kontrolliert zu Boden sinken, geben sie ihre Bewegungskraft über das ausgeklügelte Zahnrad- und Seilsystem an die beweglichen Fassaden-Figuren weiter. Die wiederum gehören, wie die ganze Technik, der Stadt Nürnberg. Denn als die katholische Kirche 1882 das Glockenspiel erneuerte, bauten die Uhrenmacher einen zu schwachen Mechanismus ein. Die Folge: Das Männleinlaufen war oft kaputt, die Wartungskosten waren enorm. Die katholische Kirche reagierte – und vermachte das Figuren-Spektakel 1885 mitsamt der teuren Technik der Stadt Nürnberg. Die ließ das Uhrwerk 1904 von der Firma Riedl neu bauen – nach dem Prinzip aus dem Jahr 1509.

Das einzig moderne: zwei Elektromotoren

Während des zweiten Weltkrieges wurden das historische Uhrblatt sowie die Holzfiguren 1944 abgebaut und eingelagert. 1953 erneuerte man zuletzt die Technik hinter dem Kaiser. Doch das einzig Moderne am Männleinlaufen sind die zwei Elektromotoren, die den Mechanismus wieder aufziehen – indem sie die Gewichte nach oben ziehen. „Sonst müsste jemand die Gewichte hochkurbeln“, erklärt Anton Baron. Damit sich auch am nächsten Tag Nürnbergs bekannteste Touristenattraktion dreht – vorneweg, wie seit 500 Jahren: der Rambo aus Mainz. Martin Mai

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