Diebstahlvorwürfe: Verabschieden wir uns schon wieder von den Selbstscannerkassen?

Es ist Mittagspause, man will eigentlich nur eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken mitnehmen, doch am Kassenband steht eine lange Schlange an. Da geht es schneller, einfach an einer der Selbstbedienungskassen (SB-Kassen) die Produkte selbst zu scannen. Von denen ploppen immer mehr auf – in den Supermärkten im Freistaat hat sich laut Handelsverband Bayern (HBE) die Anzahl der SB-Kassen seit Anfang des Jahrtausends mehr als verdoppelt. Zugleich nimmt die Zahl der Diebstähle zu: Waren im Wert von 380 Millionen Euro wurden dem HBE zufolge vergangenes Jahr gestohlen – ein Zuwachs von 20 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Tendenz steigend. Die Vermutung liegt nahe: Gibt es da einen Zusammenhang?
"Gelegenheit macht Diebe", räumt Bernd Ohlmann vom HBE ein. Bei der Selbstbedienungskasse ist man schließlich selbst dafür verantwortlich, alle Produkte zu scannen. "Da ist vielleicht bei manch einem die Versuchung groß", sagt Ohlmann. Im Internet werden sie scherzhaft als "Inflationsausgleichskassen" oder als "Rabattkassen" bezeichnet. Nicht umsonst rüsten die Supermärkte auf: mithilfe von Kameras, die oberhalb der Kasse angebracht sind, sowie Bilderkennung und maschinellem Lernen, das auffällige Muster bemerken soll. So soll sich unterscheiden lassen, wer klaut – und wer das Gerät nur fehlerhaft bedient.
Zusätzlich sollen subtile Hinweise den Kunden dazu animieren, ehrlich zu bleiben. Konkret heißt das: Das eigene Kamerabild wird eingeblendet, um an die Überwachung zu erinnern. Oder das Display fragt nach, ob alle Artikel korrekt erfasst wurden. Außerdem nutzen Märkte Ausgangsschranken, die nur mit dem Barcode auf dem Kassenzettel geöffnet werden können. Und dann steht meist noch ein Mitarbeiter in der Nähe, der bei Fragen hilft und aufpasst.
Selbstbedienungskassen bei Kunden beliebt
So manche Filiale gibt wegen der Diebstähle die Selbstbedienungskassen jedoch auf, wie etwa zwei Märkte in Regensburg. In den USA und Großbritannien bauen einige Ketten die Kassen sogar überregional wieder ab. Einen Trend für Deutschland oder Bayern sieht Ohlmann vom HBE darin nicht. Ein Rückbau entspricht nicht den Unternehmensstrategien der Super- und Drogeriemärkte, wie auch die Ketten auf AZ-Anfragen hin einstimmig klarstellen. Ganz im Gegenteil.
Edeka Südbayern teilt der AZ zu den Kassen etwa mit: "Sie haben sich in vielen Märkten – auch in München – bereits bewährt." Die Vorteile demnach: Freiräume für Mitarbeiter und kürzere Wartezeiten. Gerade zu Stoßzeiten, wie Rossmann auf Nachfrage der AZ ergänzt. Die Warterei zu minimieren ist wichtig, denn schon fünf Minuten sieht die große Mehrheit (89 Prozent) laut einer Erhebung des Marktforschungsinstituts Infas Quo als ein Ärgernis.

Auch Kaufland hebt die Schnelligkeit der Kassen hervor, gerade bei kleineren Einkäufen, und baut diese nach eigenen Angaben sukzessive aus. Dasselbe gilt für Rewe: Von über 3800 Standorten bundesweit haben bereits knapp 1800 Märkte Selbstbedienungskassen installiert. "Vor allem in Stadt-Supermärkten gibt es diese standort-spezifisch hohe Nachfrage der Kundinnen und Kunden", teilt Rewe der AZ mit. Demnach gibt es sogar Märkte, in denen mehr als Dreiviertel über die Selbstbedienungskassen auschecken. Laut einer Umfrage aus 2024 von Infas Quo machen das insgesamt 56 Prozent der Verbraucher.
Bayerischer Handelsverband: "Nur wenige schwarze Schafe"
Zum Problem der Diebstähle wegen der SB-Kassen äußern sich die meisten Supermärkte nicht – oder sehen es nicht als großes. Kaufland teilt etwa mit: "Der weitaus größte Teil unserer Kunden ist ehrlich." Auch DM vertraut darauf, "dass unsere Kundinnen und Kunden verantwortungsvoll handeln und ihre Einkäufe bei DM bezahlen wollen". Davon geht auch Ohlmann aus: "Es gibt nur einige wenige schwarze Schafe." Manch einer stiehlt womöglich nicht einmal aus Absicht. In den Sozialen Medien häufen sich Berichte darüber, dass Kunden darauf aufmerksam gemacht werden, vereinzelt Produkte nicht abgerechnet zu haben. Meist im Cent-Bereich – also nicht des Diebstahls wert. Ein klassisches Beispiel: Acht Joghurt-Becher werden gekauft, aber nur sieben angegeben, weil man sich verzählt oder einen übersehen hat. Laut Ohlmann entstehen so schnell Fehlbuchungen.

Die Polizei München teilt auf AZ-Nachfrage mit, dass ihre Diebstahl-Statistik nicht aufschlüsselt, wie viel im Zusammenhang mit SB-Kassen geklaut wird. Die Rewe-Gruppe (zu der auch Penny gehört) schreibt: "Wir können nicht erkennen, dass Selbstbedienungskassen signifikanten Einfluss auf die Diebstahlquote eines Marktes haben." Das bekräftigt auch Ohlmann: "Sie sind nicht verantwortlich dafür, dass die Zahlen so steigen." Der Löwenanteil der Diebstähle hat andere Gründe. Etwa finanzielle Not wegen der gestiegenen Preise, wie das EHI Retail Institute in einer Studie feststellt. Oder organisierte Banden-Kriminalität, die demnach ein Drittel der Ladendiebstähle ausmacht.