Die Zecken-Gefahr wird immer schlimmer: So leiden die Opfer
Noch Jahre nach dem Biss des kleinen „Vampirs“ haben viele massive Beschwerden.
NÜRNBERG Lisa Bernauer weiß nicht, wann sie von einer Zecke gebissen wurde. Es muss 1971 gewesen sein, als der Borreliose-Erreger noch gar nicht entdeckt war. Eines Morgens aß sie einen Toast, als ein fürchterlicher Schmerz ihren Körper durchzuckte. Sie ging sofort zum Zahnarzt. Der war genauso ratlos wie andere Ärzte, sie in den Folgejahren aufsuchte. Die heute 65-Jährige erlebte eine regelrechte Symptom-Odyssee. Sie hatte Doppelvisionen, Schwellungen an den Gelenken, Lähmungserscheinungen. Sie nahm stark ab und konnte 1985 über Monate ihre Beine nicht bewegen.
„Damals hat ein Arzt gemeint, dass ich Multiple Sklerose habe.“ Was ihr wirklich fehlt, erfuhr sie erst 1988, als sie erstmals von Nikolaus Frühwein, Vorsitzender der Bayerischen Gesellschaft für Impf- und Tropenmedizin, behandelt wurde. „Ich habe bei Frau Bernauer Borreliose diagnostiziert“, erinnert sich der Mediziner. Leider erst Jahre nach der Infektion. Denn wird man nicht rechtzeitig mit Antibiotika behandelt, kommt der Erreger immer wieder. Lisa Bernauer leidet heute noch unter den Folgen: „Ich habe Herz-Rhythmus-Störungen und Migräne. Ständig sind meine Schleimhäute entzündet. „Irgendwann werde ich daran sterben.“
Zecken, diese unscheinbaren, nur wenige Millimeter großen Tiere, können gefährliche Krankheiten übertragen: die Lyme-Borreliose wie im Fall von Lisa Bernauer oder die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
Bei einem Drittel der FSME-Infizierten kommt es zu einer Hirnhaut-, Hirn- oder Rückenmarkentzündung
Was passiert, wenn man sich mit dem FSME-Virus infiziert, erfuhr Florian Gassner (25) aus Penkhof bei Amberg letzten Mai. „Ich bekam plötzlich Schüttelfrost und hohes Fieber“, erinnert er sich. Sein Hausarzt vermutete Grippe. Weil das Fieber nach kurzer Besserung wieder auftrat, ließ sich Gassner ins Amberger Klinikum St. Marien einweisen. „Dort wurde mir Hirnwasser entnommen und festgestellt, dass ich FSME habe.“
Wann er von einer mit dem Erreger infizierten Zecke gebissen wurde, weiß er nicht. „Ich war zu der Zeit mal im Wald, als wir den Kirchweih-Baum geholt haben.“ Er nimmt zehn Kilo ab, muss fünf Tage in der Klinik bleiben. Dann geht es ihm wieder besser. Der 25-Jährige hatte großes Glück. Denn bei einem Drittel der Infizierten kommt es zu einer Hirnhaut-, Hirn- oder Rückenmarkentzündung, an der etwa ein bis zwei Prozent der Erkrankten sterben. Deshalb rät Gassner: „Jeder sollte sich impfen lassen.“
Gegen FSME kann eine Impfung schützen. Damit der Schutz fünf Jahre anhält, muss nach zwei Impfungen im Abstand von einem Monat die Immunisierung ein Jahr später erneuert werden. Nach fünf Jahren fängt das Prozedere von vorne an. „Die Kosten übernehmen die Krankenkassen.“
In Bayern ist die Impfung besonders wichtig: 2008 traten hier fast die Hälfte der FSME-Erkrankungen in Deutschland auf. „Es wurden 128 Fälle in Bayern gemeldet, bundesweit waren es 287“, sagt Lea Estel vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Nürnberg und sein Umland zählen zu den Risiko-Gebieten.
Gegen Borreliose gibt es allerdings noch keinen Impfstoff. Auch die Immunisierung gegen FSME schützt nicht vor dem Erreger. „Zwar werden nur wenige Borreliose-Fälle chronisch und meist heilen sie aus. Aber die Diagnose ist schwierig und bei chronischen Fällen auch die Behandlung“, erklärt Frühwein. Das LGL geht bayernweit für 2008 von 10.000 Erkrankungen aus.
Verena Duregger