Die Würde des Denkens
NÜRNBERG - Der Regisseur Theo Angelopoulos, Stargast der Griechischen Filmtage in Nürnberg, ist in der Stadt. Im AZ-Interview spricht er über Bruno Ganz und Melancholie.
Großer Bahnhof im Festsaal des KunstKulturQuartiers KuKuQ beim Start der Griechischen Filmtage, die noch bis morgen Regisseure und Schauspieler herholen:, Rembetiko, eine griechisch-deutsche Band, fetzt durch Mittelmeer-Folklore, Grußworte wechseln. Filmtage-Leiterin Irini Pappa strahlt für zwei und verkündet eine Fortsetzung in zwei Jahren, KuKuQ-Chef Matthias Strobel radebrecht eine griechische Begrüßung zusammen, SPD-Fraktionschef Gebhard Schönfelder vertritt den OB und Jürgen Markwirth, dessen KuF Ansprechpartner ist, sieht sich als Ermöglicher.
Der Mittelpunkt des Abends sitzt aber noch nicht auf, sondern vor der Bühne. Erst später, nach einer ausgelassenen Buffettrunde im Glasbau, wird Theo Angelopoulos über sein Werk diskutieren. Schon bei seiner ersten Nennung wird der weltweit bekannteste griechische Regisseur frenetisch gefeiert. Berühmt geworden ist Angelopoulos für seine minutiös durchkomponierte Kamera-Arbeit, mit der er seine Geschichten in langen Plansequenzen erzählt. Eigentlich ein kleines Wunder, dass es dem Griechischen Kunstclub Nürnberg gelungen ist, den auch für seine Launen berüchtigten Star-Regisseur in die Stadt zu holen. Beim Interview am Rande der Filmtageeröffnung gab er freundliche Antworten.
AZ: Herr Angelopoulos, in Deutschland kennt man kaum griechische Filme. Wird in Griechenland deutsches Kino wahrgenommen?
THEO ANGELOPOULOS: Das ist schwierig. Meistens laufen diese Filme untertitelt auf Festivals. Nur wenige schaffen es in die Kinosäle. Es gibt kein Publikum mehr für sie. Andererseits hat es in jüngerer Zeit zwei deutsche Filme gegeben, die in Griechenland sehr erfolgreich waren: „Der Untergang“ mit Bruno Ganz und „Das Leben der Anderen“.
Mit Bruno Ganz haben Sie selbst zwei mal gedreht, zuletzt „Staub der Zeit“, der im Frühjahr auf der Berlinale zu sehen sein wird.
Der Film ist nach „Eleni“ der zweite Teil meiner aktuellen Trilogie. Ganz verkörpert darin eine melancholische Gestalt.
Ihre Filme sind berühmt und berüchtigt für ihre Melancholie. Was bedeutet dieser Begriff für Sie?
Melancholie ist für mich die Würde des Denkens. Die Figur, die Ganz spielt, entstammt einer Generation, die an Weltveränderung glaubte. Aber seitdem ist nichts geschehen, es wurden keine Probleme gelöst. Ich empfinde eine Melancholie darüber, was verloren ist, nicht über das, was aus den Träumen geworden ist — wie auf Dürers Stich der „Melancholia“.
Und das Prinzip Hoffnung?
Lassen Sie mich mit Marcello Mastroianni antworten. In einem seiner Filme bringt sich der Mann, den er spielt, um. Nach der Hoffnung gefragt, sagte er: „Allein, dass ich diesen Film drehe, ist Handlung der Hoffnung.“ Also gibt es Hoffnung.
Sie arbeiten sehr choreographisch. Erhalten Sie Angebote von Opern und Theatern?
Ja, vor allem aus Deutschland. Aber ich werde es nicht machen. Es ist doch so: In der Zeit, die ich bräuchte, um eine Operinszenierung vorzubereiten, drehe ich lieber einen neuen Film.
Welchen Ihrer Filme würden Sie den Nürnbergern besonders ans Herz legen wollen?
Eine schwierige Frage - das ist so, als hätte ich drei Töchter, und Sie wollten wissen, welche von ihnen ich am liebsten mag. Interview: Georg Kasch
Im Anschluss an die Griechischen Filmtage präsentiert das Filmhaus Nürnberg im Dezember eine Angelopoulos-Werkschau. Vom ersten Kurzfilm „Die Sendung“ (27.12.) bis zum zuletzt erschienen „Eleni“ (10.12.) umfasst sie nahezu alle seine Werke. Auch „Die Ewigkeit und ein Tag“ mit Bruno Ganz (25. und 27.12.), „Der Blick des Odysseus“ mit Harvey Keitel (25. und 30.12.), „Der schwebende Schritt des Storches“ mit Marcello Mastroianni und Jeanne Moreau (19./20.12.) und Angelopoulos’ Durchbruch mit „Die Wanderschauspieler“ (14. und 26.12.).
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