Die Tragödie der Daxenberger: „Trost ist kaum möglich“
Sepp und Gertraud Daxenberger hinterlassen drei Söhne: Der jüngste ist 12, der älteste 20 Jahre alt. Sie haben lange mit der Krankheit der Eltern gelebt, jetzt haben sie beide verloren
Übers Sterben wird nicht geredet“, hat Sepp Daxenberger noch kurz vor seinem Tod gesagt. Seine drei Buben sollten trotz des Wissens um die Krebserkrankung ihrer Eltern „ganz normal aufwachsen“. Sie sollten zuhause nicht das Gefühl haben, sie müssten in einer „halben Leichenhalle“ leben. Jetzt hat der Tod die Familie doch zerrissen, hat die Kinder mit umso größerer Wucht getroffen.
Erst die Mutter, dann, drei Tage später, der Vater. Benedikt (12), Kilian (17) und Felix (20) sind innerhalb kürzester Zeit Vollwaisen geworden. „Gefasst“ hätten sie auf ihn bei der Trauerfeier für ihre Mutter gewirkt, sagte Diakon Alois Fellner zur AZ. Doch wie es in den Buben aussieht, kann auch er nur mutmaßen. Was fühlt ein Teenager, der sich aufs Erwachsenenleben freuen sollte, der glauben sollte, dass ihm die Welt offen steht und der sieht, wie der Tod seine Eltern mitten aus dem Leben reißt, lange, bevor sie es zur Neige gelebt haben?
Zwei geliebte Menschen zu verlieren, von einem Tag auf den anderen – ein Schicksal, das kaum ein Erwachsener ertragen könnte, ohne zusammenzubrechen, umso weniger Heranwachsende. „Möglicherweise haben die Kinder im Moment noch gar nicht erfasst, was passiert ist“, gibt die Dachauer Klinik-Seelsorgerin Christine Fleck-Bohaumilitzky, die sich mit trauernden Minderjährigen beschäftigt hat, zu bedenken.
Wenigstens sind die Daxenberger-Buben nicht allein: Auf dem Hof in Waging leben auch die Eltern von Sepp Daxenberger. Seine Geschwister und die seiner Frau Gertraud sind in der Nähe, können sich um die Söhne des Grünen-Politikers kümmern. „Die merken es schon, wenn’s der Mama schlecht geht, dann gehen sie zum Mittagessen zur Oma“, hatte Daxenberger dem „SZ-Magazin“ zwei Monate vor seinem Tod gesagt. Jetzt dürfte das Mittagessen bei den Großeltern zur Regel werden.
Zumindest die äußeren Lebensumstände sind also intakt – was noch nichts darüber sagt, ob sich die Buben jemandem mitteilen können. „Verbaler Trost ist für sie nicht möglich“, sagt Fleck-Bohaumilitzky. „Was sollte man auch als Trost sagen? Jedes Wort wäre unpassend. ,Ich weiß nicht, was ich sagen soll’ – das wäre wenigstens ehrlich.“
Kinder und Heranwachsende verarbeiten den Tod naher Menschen unterschiedlich, berichtet die Seelsorgerin: „Für Erwachsene ist die Trauer ständig präsent, Kinder und Jugendliche trauern nicht kontinuierlich.“
Für Kinder sei es „lebensrettend“, den Schicksalsschlag immer wieder auszublenden – auch wenn sie andere Verwandte damit brüskierten. „Oft sind Erwachsene über das Verhalten von 16- oder 17-Jährigen entsetzt, die nach dem Tod eines nahestehenden Menschen erst einmal in die Disco gehen“, sagt Fleck-Bohaumilitzky.
Auf Verständnis werden die Daxenberger-Söhne trotzdem bauen können – auch über die Familie hinaus sind sie in das soziale Gefüge am Ort integriert, sagt der Waginger Bürgermeister Herbert Häusl – sie sind in Vereinen Mitglied, stehen in der Ausbildung, haben Freunde. Die ganze Gemeinde ist in Gedanken bei ihnen.
Und sie haben sich gegenseitig: „Es ist denkbar, dass die großen Brüder für den Zwölfjährigen eine Stütze sind“, sagt Christine Fleck-Bohaumilitzky.
Wenn sie sich denn nicht selbst von der Situation überfordert fühlen: Oft seien in einer einer Familie die einzelnen Mitglieder „so mit ihrer Trauer beschäftigt, dass sie sich nicht gegenseitig helfen können“. Susanne Stephan
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