Die Spur der Killerin führt nach Franken
Die meistgesuchte Frau Deutschlands mordete und stahl – an 34 Tatorten fanden die Ermittler ihren genetischen Fingerabdruck.
HEILBRONN Eine unbekannte Frau treibt die Polizei zur Verzweiflung. Ihre Spuren tauchen in Zusammenhang mit harmlosen Diebstählen auf, aber auch bei spektakulären Mordfällen. In Dutzenden von Fällen wurde ihr genetischer Fingerabdruck (DNA) an Tatorten in Süddeutschland, Frankreich und Österreich entdeckt. Die fieberhafte Suche nach dem mordenden Phantom führt die Ermittler auch nach Franken.
„Wir überprüfen auch Personen im nördlichen Bayern, können aber noch keine Einzelheiten nennen“, erklärte ein Sprecher der Polizei in Heilbronn (Baden-Württemberg). Dort, bei der Soko „Parkplatz“, laufen die Fäden zusammen. Die Arbeit fällt den Beamten besonders schwer, denn eines der getöteten Opfer stammt aus ihren eigenen Reihen. Am 25. April 2007 wurde die Polizeibeamtin Michele K. (22) auf einem Parkplatz in Heilbronn erschossen, ein Kollege (24) schwer verletzt. An ihrem Dienstwagen haftete der genetische Fingerabdruck der Unbekannten.
Die Mittäter verraten das Geheimnis ihrer Identität nicht
„Das besonders Schwierige bei der Fahndung nach der Frau sind ihre hohe Mobilität und keine erkennbare Struktur ihrer Vorgehensweise. Sie ist einerseits an völlig banalen Einbrüchen in Gartenhäusern beteiligt, schreckt andererseits aber auch nicht vor brutalsten Gewalttaten zurück“, skizziert ein Ermittler das Dilemma.
So wurde eine Spur der Frau im Fahrzeug eines Mannes gefunden, der als V-Mann für den Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz tätig war und zusammen mit einem Mittäter drei georgische Autohändler in Heppenheim (bei Mannheim) umgebracht haben soll. Krasser Gegensatz: Kurz darauf, im Frühjahr 2008, hinterließ das weibliche Phantom ihre DNA bei einem Einbruch in ein stillgelegtes Hallenbad in Niederstetten bei Rothenburg ob der Tauber. Ein Polizeibeamter: „Dort gab es wirklich nichts zu holen. Wir wissen nicht, was die Frau dort wollte. Vielleicht hatte sie nur vor, in dem leerstehenden Gebäude übernachten.“
Zum ersten Mal fiel die Unbekannte bereits 1993 bei einem Mord in Idar-Oberstein auf. Am Tatort wurde ihre DNA gefunden, genauso wie acht Jahre (März 2001) später bei einem Tötungsdelikt in Freiburg. Seitdem geht es Schlag auf Schlag. Sie trat bei Büroeinbrüchen in Erscheinung, klaute Autos, überfiel Menschen in der Wohnung – und schreckte bei Bedarf auch nicht vor brutaler Gewalt zurück, wie sich bei einem Mordversuch in Worms (Mai 2005) zeigte. In diesem Jahr verlegte sie eine Zeit lang ihre Aktivitäten nach Österreich, ehe sie sich im Oktober 2006 mit einem Einbruch in Saarbrücken wieder in Deutschland „zurückmeldete“. An 34 Tatorten hinterließ die skrupellose Gangsterbraut mittlerweile ihre unverwechselbare Handschrift. Die Polizei geht davon aus, dass die Unbekannte in vielen Fällen Mittäter hatte. Einige von ihnen wurden sogar gefasst, aber sie behielten das Geheimnis der Identität der Frau für sich. Warum? „Wir können nur Vermutungen anstellen“, beschreibt ein Heilbronner Ermittler die aktuelle Situation. Eine der Vermutungen ist: Die Frau könnte wie ein Mann aussehen, sich so kleiden, sich so verhalten. Dass die an den Tatorten gefunden DNA-Spuren definitiv von einer Frau stammen, steht allerdings außer Zweifel. Vermutet wird von den Fahndern außerdem, dass das Phantom möglicherweise aus Osteuropa stammt und mit Schausteller-Kreisen zu tun hat.
Diese Erkenntnisse haben die Polizei trotz aufwändigster Ermittlungen bisher aber keinen entscheidenden Schritt weitergebracht. In der vergangenen Woche beschäftige sich eine einstündige ZDF-Dokumentation mit der rätselhaften Verbrechensserie. Die Polizei hofft jetzt auf den Durchbruch, um die meistgesuchte Frau Deutschlands identifizieren zu können.
Helmut Reister