Die schönste Krippe: Als wäre Jesus in Bayern geboren

Walter Madls Krippe ist zugleich ein spannendes Bild des Lebens und Wirkens unserer Vorfahren. Der 85-Jährige hat darüber ein Buch geschrieben.
von  Ruth Schormann
So sieht die Stallkrippe von Walter Madl am Dreikönigstag aus. Sie ist insgesamt sechs Quadratmeter groß - und steht das ganze Jahr über aufgebaut in seinem Haus.
So sieht die Stallkrippe von Walter Madl am Dreikönigstag aus. Sie ist insgesamt sechs Quadratmeter groß - und steht das ganze Jahr über aufgebaut in seinem Haus. © Georg Thuringer

Albersdorf - Maria, Josef, Jesuskind - vielleicht noch Ochse und Esel: So sieht in vielen Wohnzimmern das Kripperl aus, das traditionell an Weihnachten nicht fehlen darf.

Bei Walter Madl, einem 85-jährigen pensionierten Lehrer aus Albersdorf nahe dem niederbayerischen Vilshofen, liegt die Sache ganz anders: Seine Krippenlandschaft ist sechs Quadratmeter groß und füllt einen halben Raum. Das ganze Jahr über, dauerhaft, denn ein Abbau würde Wochen dauern, wie er der AZ erzählt. Sechs Trafos für Beleuchtung und weitere Antriebe sind darin verbaut.

"Die vergessene Welt des ländlichen Lebens"

Der vielseitig interessierte Niederbayer ist krippennarrisch, aber nicht nur das: Er hat den Anspruch, in seiner Krippe, in der natürlich auch Maria, Josef und Jesuskind nicht fehlen, "die vergessene Welt des ländlichen Lebens" wieder auferstehen zu lassen. Es gehe aber nicht um volkstümliche Attrappen wie in vielen anderen "Heimatkrippen", erklärt er.

"Mein Anliegen ist, die Erinnerung an die Lebensart meiner Vorfahren um 1900 in Südostbayern wiederzugeben." Sein Vater stammt aus dem verschwundenen Dorf Leopoldsreut. Dort, wo das Geburtshaus des Vaters stand, wachsen heute längst wieder Bäume, schildert Madl.

Wichtig ist dem 85-Jährigen bei der Darstellung dieser "zu früh vergessenen Welt" der richtige Maßstab, und dass alle Geräte und Gebäude auch wirklich funktionieren. "Ich hatte die verrückte Idee, die Sägemühle von Gingharting nachzubauen, die mir besonders gut gefällt, weil sie so abgelegen liegt. Wenn man diese Mühle betritt, denkt man, man macht eine Zeitreise um Hundert Jahre zurück", sagt Madl.

Diese Sägemühle hat er in die Krippenlandschaft integriert. Im Maßstab 1:10 kommt sie immer noch auf 1,40 Meter, erzählt er. Als gebürtiger Niederbayer liegt es freilich nahe, dass er eine Heimatkrippe hat. Es gebe dafür überall auf der Welt tolle Ansätze, etwa in Peru, "da wird die Geburt Jesu auf ein Schilfboot im Titicacasee verlegt", sagt Madl.

"Was nicht mein Weg ist", das ist Madl wichtig, "ist dieser heimattümelnde Stil, wo unrealistische Gebäude rauskommen."

Über seine Krippe, die Volksfrömmigkeit und alte Handwerkskunst hat der 85-Jährige jetzt ein Buch geschrieben, das in diesen Tagen bei Edition Töpfl in Tiefenbach bei Passau erschienen ist. Darin nimmt er den Leser mit auf eine abwechslungsreiche Zeitreise. Viele Bildern illustrieren die Detailtreue seiner Figuren.

Da tanzt ein Bärentreiber durch die Landschaft, es gibt einen Hausierer, einen Kesselflicker oder auch Drehleierspieler und eine besondere Ente, die Madls Familie einst zeitweise aufgezogen hat, wie der Leser des kurzweiligen Buches erfährt.

Auch bäuerliche Geräte aus der Zeit rund um 1900 finden sich in der Krippe und genau beschrieben im Buch wieder: Gsodschneid, Hoazlbänk, Schleifstoa und Reisadbiad dürften vielen zunächst kein Begriff mehr sein.

Der Naturwissenschaftler findet, gerade in stürmischen Zeiten sollte man sich rückbesinnen, nachdenken, ob alles wirklich so laufen muss, wie es heute läuft. "Vielleicht könnte man Herausforderungen heute auch besser meistern, wenn man noch die Erdung unserer Vorfahren hätte", meint Madl. "Unsere Vorfahren haben Begriffe wie Nachhaltigkeit nicht gekannt, aber sie haben sie gelebt!", ist er überzeugt.

Heute rede man viel, aber tue wenig. Er probiert aus, wie es früher so lief, etwa mit dem Flachsen, der Herstellung von Leinen. "Der lange Weg vom Flachs zum Leinen hat mir bewusst gemacht, welchen Respekt unsere Vorfahren für ihre damaligen Leistungen verdienen", sagt Madl.

Seine Krippenlandschaft zeigt Madl natürlich auch gerne her, etwa 200 Besucher hatte er schon, schätzt er. Vom Kindergarten bis aus dem Seniorenheim kamen schon Gruppen in seinem Krippenraum vorbei, in dem er im Winter gerne vor sich hinwerkelt. Gerade arbeitet er an einem Kammerwagen, in dem früher die Einrichtung für die Braut mit Spinnrad, Flachszöpfen und weiterer Aussteuer gefahren wurde.

"Wenn man keine Träume mehr hat, kann man sich gleich Blumenstöcke kaufen und auf dem Friedhof warten", sagt der 85-Jährige schmunzelnd. Und: Seine Krippe sei "sowieso eine Dauerbaustelle". Eine spannende.


"Das etwas andere Krippenbuch - Zeitreise in eine vergessene Welt des ländlichen Lebens und der Volksfrömmigkeit" (152 S.; 26 Euro) können Interessierte direkt beim Autor (Tel.: 08541/5557), vom Verlag Edition Töpfl oder über den Buchhandel beziehen.

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