Die Pflege-Lücke: Warum so viele durchs Raster fallen!

NÜRNBERG - Medizinischer Dienst der Krankenkassen: Wer im Alter den Verstand verliert, ist nicht unbedingt ein Fall für die Pflegekasse
Der Fall des 82-jährigen Nürnberger Heim-Insassen Helmut Noetzel, der laut Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) nur Anspruch auf 36 Minuten Pflege am Tag hat, obwohl er dement und zuckerkrank ist, hat bei vielen für Betroffenheit gesorgt. Denn Noetzel bleiben deshalb Leistungen der Pflegestufe 1 verwehrt (AZ berichtete). Doch das MDK verteidigt sich: Demenz allein rechtfertige keine Zahlungen aus der Pflegekasse. Eine Lücke im Pflegegesetz, die dafür sorgt, dass viele Betroffene leer ausgehen.
Durchs Raster fallen Menschen, die ständige Betreuung benötigen
„Die Pflegestufen sind fokussiert auf die Grundpflege“, sagt Rolf Scheu, Referent für Pflegebegutachtung beim MDK Bayern. Sie erfassen den Hilfsbedarf in Sachen Körperpflege, Ernährung und Mobilität. „Davon profitieren ganz klar Menschen, die körperlich gebrechlich, aber völlig klar im Kopf sind“, so Scheu. Durchs Raster fallen Menschen wie Helmut Noetzel, die ständige Betreuung benötigen, aber ansonsten für einen Pflegeheim-Bewohner körperlich einigermaßen fit sind. Die Demenz spiele nur insofern eine Rolle fürs Pflegegutachten, als sie Auswirkungen auf die Grundpflege habe, so Scheu: „Demente Menschen benötigen eine Aufforderung, sich zu waschen und eine Kontrolle. Aber das sind seit Jahrzehnten eingeübte Kulturverrichtungen, die trotz Demenz von den Menschen noch geleistet werden können.“ Da komme man nicht auf einen hohen Pflegebedarf.
Ob der Gesetzgeber die Lücke schließt, ist fraglich
Entsprechend bescheiden sind die Leistungen, die die Pflegekasse den verwirrten Menschen auch ohne Pflegestufe gewährt. Wer ambulant, z. B. von Angehörigen, versorgt wird, hat Anspruch auf 1200 Euro – pro Jahr! Im Heim wird pro 25 verwirrter Insassen gerade einmal eine zusätzliche Mitarbeiterin zur Betreuung bezahlt. Ob der Gesetzgeber die Lücke schließt, ist fraglich. Denn Altersdemenz ist ein stark wachsendes Problem. Immer mehr Menschen werden sehr alt, aber das heißt nicht, dass sie auch gesund bleiben. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Altersverwirrten bis 2050 verdoppelt. Wollte man deren Betreuung aus der Pflegekasse zahlen, müssten die Lohnnebenkosten immens steigen. Vieles spricht dafür, dass die Menschen auch in Sachen Pflege selbst Vorsorge treffen müssen – so, wie sie es bei der Rente und bei der Krankenversicherung längst tun. Winfried Vennemann