Die miesen Ausreden der Kinderschänder
NÜRNBERG Seit zehn Jahren ist Rechtsanwältin Monika Goller (48) als Opferanwältin tätig, in Nürnberg und über die Grenzen Frankens hinaus. Der Großteil ihrer Mandanten sind sexuelle Missbrauchsopfer, davon 80 Prozent Kinder.
AZ: Was sind die häufigsten Ausreden, mit denen Kinderschänder ihren Kopf aus der Schlinge ziehen wollen?
MONIKA GOLLER: Gerade Männer mittleren Alters bilden sich häufig eine Liebesbeziehung mit ihrem Opfer ein. Nicht selten hört man von Tätern auch, dass doch lieber sie als Väter oder Onkel die Kinder in die Sexualität einführen als irgendein Fremder – gerade in Kulturen, in denen Mädchen schon mit 15 Jahren oder jünger verheiratet werden, ist das keine Seltenheit.
Welcher Erklärungsversuch eines Täters war in Ihren Augen besonders dreist?
Ganz klar ein Opa, der seine 10-jährige Enkelin missbrauchte. Er behauptete allen Ernstes, der Missbrauch sei von dem Kind ausgegangen. Es soll ihm von sich aus die Hose aufgemacht und an ihm herumgespielt haben. Er erklärte sogar noch, er sei froh gewesen, als sie endlich aufgehört habe. Manchmal könnte man verzweifeln.
Sie sind seit zehn Jahren in diesem Geschäft. Schockt Sie überhaupt noch etwas?
Eigentlich müsste ich tatsächlich schon alles gehört haben, das ist aber nicht der Fall. Jeder Missbrauch bringt neue Details mit sich, die man nicht für möglich gehalten hätte. Schockierend sind dann aber weniger die Ausflüchte als das komplette Verleugnen. Ein Beispiel? Wenn Täter meinen, es gäbe keine Beweise, außer den Angaben des Opfers, versuchen sie sich ungeniert an den unglaublichsten Ausflüchten wie: „Ich hatte eine Knie-OP, ich kann deshalb gar keinen Geschlechtsverkehr ausüben.“ Gutachten bringen dann aber meist die Wahrheit ans Licht.
Glauben die Täter eigentlich selbst, was sie da erzählen?
Ich denke nicht. Die meisten können sich ihre Tat selbst nicht erklären. Die Schuld von sich wegzuschieben, ist aber ein typisches Verhalten. Sind sie sich während der Tat ihres Unrechts bewusst? Anzunehmen. Immerhin bauen die Täter meist massive Drohkulissen auf, damit die Opfer schweigen, und der Missbrauch nicht entdeckt wird. Sex-Täter sind aber oft auch gute Verdränger, gerade wenn der Missbrauch sich über einen langen Zeitraum zieht.
Spielen Alter, Herkunft oder sozialer Hintergrund eine Rolle, was die Geständnisbereitschaft angeht?
Eher nicht. Grundsätzlich gilt, je näher der Verwandtschaftsgrad, desto höher die Bereitschaft, zu gestehen. Dann scheint wenigstens noch ein Restanstand geblieben zu sein, das Kind nicht auch noch als Lügner hinzustellen. Manchmal generieren sich die Täter auch als Opfer, sitzen auf der Anklagebank wie ein Häufchen Elend.
Hatten Sie schon einmal Mitleid? Bei Sex-Tätern noch nie annähernd! Manche jammern, wie schlecht es ihnen selbst in der Situation ging. Das ist widerlich. Oder sie gestehen, machen aber selbst keine Angaben, sondern lassen nur Erklärungen über ihren Anwalt abgeben, weil sie nicht Manns genug sind, selbst Farbe zu bekennen.
Was bedeutet es für die Opfer, wenn die Täter sich nicht klar zu ihrem Verbrechen bekennen?
Für viele ist das ein Schlag ins Gesicht. Eine befriedigende Antwort auf die Frage „warum“ gibt es aber ohnehin so gut wie nie.
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