Die Mahler-Manie und der Megachor
Nürnberg - Der Chefdirigent der Nürnberger Philharmoniker, Christof Prick, übt zur Zeit mit einem riesigen Chor Mahler ein - in einem Hörsaal
Gesungen wird in Vorlesungssälen der Ohm-Hochschule eher selten, schon gar nicht Mahler. Es wirkt also ein wenig befremdlich, wenn die singende Hundertschaft aus Hans Sachs-Chor und den beiden Chören der hiesigen Universität den letzten Satz von Gustav Mahlers Auferstehungssymphonie vor sich hin schmettert. An der Stelle, wo sonst der Professor vorliest, steht Chefdirigent Christof Prick, der zusammen mit seinen Nürnberger Philharmonikern und dem Chor Fischer'schen Ausmaßes am 21. Januar die 2. Mahler-Symphonie dirigieren wird – nachdem die das Orchester bereits die 3., 4. und 6. Symphonie auf die Bühne gewuchtet hat.
Dass der österreichische Komponist zu seinem 150. Geburtstag im letzten und zu seinem 100. Todestag in diesem Jahr mit einer derartigen Vielzahl an ehrgeizigen Projekten rund um den Erdball bedacht wird, hätte er wohl im Traum nicht erdacht. Gerade seine 2. Symphonie, die ihren Beinamen „Auferstehungssymphonie“ der Vertonung des Klopstockgedichtes „Die Auferstehung“ im letzten Satz verdankt, erhielt zu Lebzeiten Mahlers nicht gerade die Lorbeeren, die sich der Meister erhofft hatte. Als er seinem Kollegen Hans von Bülow Auszüge aus dem ersten Satz am Klavier vorspielte, hielt der sich die Ohren zu und quittierte das Opus mit den Worten: „Wenn das noch Musik ist, verstehe ich nichts von Musik.“ Tatsächlich schwoll die bundesdeutsche Mahler-Euphorie schleichend an. Auch Christof Prick erinnert sich, dass er es in seinen Anfängen als GMD in Karlsruhe schwer hatte, den Romantiker auf den Spielplan zu setzen: „Mahler musste ich – vor dreißig Jahren noch – geradezu gegen das Orchester durchsetzen. Insofern liegt er mit seiner Bemerkung ,Meine Zeit wird kommen’ völlig richtig.“
Auch wenn die Auferstehungssymphonie mittlerweile zum Standardrepertoire geworden ist – für die Orchesterhäuser bedeutet sie nach wie vor schweißtreibenden Aufwand. Die ersten vier Sätze sind vergleichsweise harmlos, doch im Fünften muss noch ein zweites Orchester plus Chor in der Konzerthalle platziert werden – ein Problem, das sich auch auf die Suche nach einem geeigneten Probenraum niederschlägt. So müssen die Sänger mit einem überhitzten Hörsaal vorlieb nehmen, in dem sie sich die akustischen Widrigkeiten des Chorsatzes, der von „kaum hörbar“ bis hin zur Schmerzgrenze des Gehörs das gesamte Lautstärkentableau bedient, einverleiben müssen.
Darüber hinaus gibt der Komponist in seiner Partitur die kleinlichsten Anweisungen hinsichtlich Tempo, Dynamik und Gestaltung. Doch das macht für Prick gerade den Reiz aus: „Trotzdem der exakten Vorschriften des Komponisten ist es die Musik, die am meisten nach persönlicher Interpretation verlangt.“ Dass ein Chor aus Laienmusikern bei einer solchen Aufführung überfordert sein könnte, glaubt der Dirigent nicht: „Ich arbeite wahnsinnig gerne mit Laienmusikern, weil ich hier Feinheiten herausarbeiten kann, die mit einem Berufs-chor in einem Opernhaus zeitlich gar nicht möglich wären.“ Doch damit ist die Mahler-Manie bei den Philharmonikern noch nicht zu Ende, denn im Juli warten sie noch mit Mahlers „Lied von der Erde auf. Max Theiss
Karten für die Konzerte in der Nürnberger Meistersingerhalle (21.1.) und in der Erlanger Heinrich-Lades-Halle (25.1.) unter 01805 / 231 600
- Themen: