Die Erotik aus dem Becken pumpen
Erinnerungen an die Anarchie der Rock’n’Roll-Steinzeit: Charanga Habanera im Nürnberger Löwensaal war nur körperlich beweglich
Inmitten des globalisierten Gewinnmaximierer-Gewerbes erinnerte dieses Konzert an die Anarchie aus der Rock’n’Roll-Steinzeit: Nach dem Abendessen, also ziemlich spät, steht Bewegung an bei der karibischen Kapelle, die in diesen Tagen zwischen München und Prag nach einem Karriere-Knick nun angeblich als „Kubas Nr. 1“ unterwegs ist. Im Licht von elf Funzel-Scheinwerfern stolpert Charanga Habanera in die eigene Show, als sei’s ihr versteckter Übungsraum. Die fünf Sänger gucken staunend auf die ausfallenden Funkmikrophone, während die drei Trompeter unbeirrt von der Seite hereinkrähen und anschließend das gesamte Klangbild dem Löwensaal zum Fraß vorgeworfen wird. Fluch der Karibik? Bei so viel Sonne chancenlos.
Kaum hat Castro den Generationswechsel eingeleitet, ist die Boy Group für Unterleibsertüchtigung erste Bürgerpflicht: Charanga Habanera, ein zur Zeit zwölfköpfiges Kollektiv um Talk-Master David Calzado, lässt die Becken im Sechzehntel-Rhythmus Erotik pumpen, dass dem „Buena Vista“-Pensionär der Oberschenkelhalsbruch schwant, Ricky Martin spontan einen Salsa-Fortbildungskurs bucht und den aufgebrezelten Latinas im Parkett ganz blümerant wird. Hier wird eine Hand gestreichelt, da ein Fan förmlich angeblasen. Musikalisch ist dieser „Timba“-Stil, eine Art Son ohne Tempolimit, aber weniger beweglich und fortschrittlich, als er behauptet. Mehr als harmloses Party-Gewurstel aus der Nachfüllbox für Salsaholics und regelmäßige „Kuba, Kuba“-Heimatrufe war da nichts zu entdecken. Dazu müsste man Charanga Habanera vielleicht auch jenseits der fröhlichen Sound-Anarchie erleben. daer
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