Die dunkelbraune Seite der mächtigen Krupp-Dynastie
NÜRNBERG - Konzern-Chef Alfried Krupp von Bohlen und Halbach wurde als Kriegsverbrecher verurteilt. Macht und Einfluss wurden davon nicht berührt
Krupp – die Geschichte über die mächtigste Familiendynastie Deutschlands im 20. Jahrhundert. Heute Abend (20.15 Uhr, ZDF) läuft der letzte Teil der TV-Produktion. Klar ist: Die historische Wirklichkeit, vor allem die Verwicklungen der Familie in das Machtsystem der Nazis, kommt darin viel zu kurz. Darüber, wie der ideale deutsche Mann beschaffen sein sollte, hatte Adolf Hitler genaue Vorstellungen: zäh wie Leder, schnell wie Windhunde, hart wie Krupp-Stahl. Der Vergleich, den der „Führer“ zog, kam nicht von ungefähr. Das in Essen ansässige Unternehmen stellte weltweit nicht nur den besten Stahl her, sondern war der mit Abstand wichtigste Waffenproduzent im Dritten Reich. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes, in den Jahren 1947 und 1948, musste sich Konzernchef Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (†1967) vor dem US-Militärgericht in Nürnberg verantworten.
Ursprünglich wollten die Amerikaner eigentlich Alfried Krupps Vater Gustav als Hauptkriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen. Er war es, der Hitler und die NSDAP schon in der Anfangszeit unterstützte, die Nähe zu den Machthabern suchte, und den Krieg als ein hochlukratives Geschäft ansah. Schwer krank musste Gustav 1943 die Leitung des Konzerns abgeben und seinem Sohn Alfried übertragen. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bewahrten ihn auch vor einer Anklage bei den „Nürnberger Prozessen“.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der die Zusammenarbeit des Konzerns mit den Nazis lückenlos weitergeführt hatte, wurde in Nürnberg wegen Sklavenarbeit (Einsatz von Zwangsarbeitern) und Plünderung von Wirtschaftsgütern im besetzten Ausland zu zwölf Jahren Gefängnis und Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilt. Letztendlich bestand das Urteil nur auf dem Papier. Wie die meisten verurteilten Kriegsverbrecher aus den Bereichen Wirtschaft und Verwaltung, profitierte auch Alfried Krupp von Bohlen und Halbach von der gnädigen Grundstimmung der amerikanischen Siegermacht. Bereits im Januar 1951 wurde der Unternehmer begnadigt. Zwei Jahre später landete er einen weiteren Coup. Im so genannten „Mehlemer Vertrag“, den Krupp mit den Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankereichs abschloss, wurde ihm das gesamte Vermögen zurückerstattet.
Die Abmachung war an die Bedingung geknüpft, dass Krupp sich von seinen Berg- und Hüttenbetrieben trennen müsse. Doch nicht einmal das geschah. Wenige Jahre nach dem Krieg stand Krupp wieder dort, wo das Unternehmen auch vorher stand: an der Spitze der Stahlproduzenten. Der Makel, als Kriegsverbrecher verurteilt worden zu sein, klebte nicht sehr lange an Alfried. Aufgrund vieler wohltätiger Spenden und seines Engagements im sozialen und kulturellen Bereich wurde er zum Beispiel von seiner Heimatstadt Essen mit dem Ehrenring ausgezeichnet. Kurz vor seinem Tod gründete er schließlich eine Stiftung, in die sein gesamtes Vermögen floss. Die Stiftung hält heute 25,1 Prozent am Thyssen-Krupp-Konzern.
Voraussetzung, um die Stiftung ins Leben rufen zu können, war der Verzicht von Alfried Krupps Sohn Arndt auf das Erbe. Er wurde mit mehreren luxuriösen Immobilien und mit einer jährlichen Apanage von zwei Millionen bedacht – und fiel vor allem durch medienwirksame Spektakel auf. Sein unstetes Lotterleben und seine Homosexualität waren ein Dauerthema in der Klatschpresse. In die Schlagzeilen geriet in den Zeiten des aufkommenden Wirtschaftswunders noch ein weiterer Krupp-Nachkomme, Harald von Bohlen und Halbach (†1985). Er gehörte neben etlichen anderen Prominenten zum Freundeskreis der Frankfurter Edel-Prostituierten Rosemarie Nitribitt, die im November 1957 ermordet in ihrer Wohnung gefunden wurde. Das Verbrechen konnte nie geklärt werden. Helmut Reister
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