"Die Deutschen hören wirklich zu"

Was hat der Song „Dreamer“ nicht schon für Spott ertragen müssen – aus zwei guten Gründen. Erstens ist der im Refrain penetrant wiederholt besungene „Dreeeeaaaamer“ durchaus nervtötend. Was aber, zweitens, zu einem entscheidenden Charakteristikum eines echten Hits gehört: die Unverwechselbarkeit, das Ohrwurm-Gen. Der Mann, aus dessen Feder der Träumer stammt, ist Roger Hodgson, neben Rick Davies der damalige Songwriter von Supertramp. Auf das Konto des einstigen Band-Sängers gehen auch die meisten der anderen Charterfolge – etwa der „Logical Song“ oder „Give a little bit“. 1983 verließ Hodgson die Band, die bis heute 60 Millionen Tonträger verkaufte. Seitdem ist er solo unterwegs. Auf seinen Konzerten singt er aber immer noch die Supertramp-Songs. Heute kommt er in die Meistersingerhalle. Die AZ sprach mit dem Sänger.
AZ: Herr Hodgson, wie finden Sie es, dass Rick Davies mit Supertramp Ihre Songs singt, wie erst vor kurzem in der Nürnberger Arena?
ROGER HODGSON: Das fühlt sich für mich nicht richtig an! Das war nicht, was Rick und ich abgemacht haben. Ich habe 14 Jahre meines Lebens in Supertramp investiert. Und als ich die Band verließ, war für uns beide klar, dass die Band ihre zukünftige Musik spielen würde und nicht meine alten Songs. Deswegen habe ich ihm ja auch den Namen gelassen. Es greift mich an, dass er meine Songs unter dem Namen Supertramp ausbeutet. Ich möchte dabei aber am ehesten die Fans beschützen: Da meine Songs ja unter dem Namen der Band veröffentlicht wurden, wissen wenige, dass das eben meine Songs sind. Und als sie Supertramp sahen, aber die Stimme fehlte, da haben mich viele Menschen angeschrieben, die enttäuscht waren.
Sind Sie deshalb sauer oder verbittert?
Nein, das nicht. Aber ich merke, dass ich in der Vergangenheit nicht immer die besten Entscheidungen gefällt habe. Ich war geschäftlich tatsächlich eher naiv. Jetzt bin ich immerhin etwas älter und weiser. Und ich bin sehr dankbar, dass so viele Leute zu meinen Konzerten kommen und mich schätzen. Und dass meine Stimme immer noch so gut ist, wie damals (lacht).
Ihre Fans schätzen Sie sogar so sehr, dass man Ihnen vor zwei Jahren in Nürnberg...
...„Happy Birthday“ gesungen hat – das war großartig! Mir haben noch nie über 2000 Menschen ein Geburtstagsständchen gebracht. Wow! Aber genau dafür liebe ich auch das deutsche Publikum. Die sind sehr ehrlich. Wenn die Menschen hier begeistert sind und einen mögen, weiß man: Das ist ehrlich gemeint.
In anderen Ländern tun die Besucher nur so, als würden sie klatschen?
(lacht) Nein, das nicht. Aber in anderen Ländern ist es schon so, dass das Publikum durchdreht und begeistert ist – egal, was man tut. Das ist in Deutschland anders. Die hören wirklich zu. Sie sind zwar ernst, haben aber eben auch ein großes Herz.
Ihre Lieder werden seit 30 Jahren ständig gespielt. Was macht einen Song so dermaßen zeitlos?
Ich denke, ich habe die Gabe, gute Melodien zu schreiben. Aber es hat auch damit zu tun, wie die Songs entstanden. Diese Lieder stammen aus meinem Herzen. Sie entstanden sehr, sehr pur. Aus meiner Freude, aus meinem Schmerz. Das waren immer echte Gefühle, die ich in meine Songs gepackt habe. Und weil sie eben so pur sind, erreichen sie auch in den Menschen, die sie hören, einen puren, reinen Platz. Ich denke, das ist die beste Erklärung, auf die ich bisher gekommen bin.
"Kinder lieben ,It's raining again'!"
Also ist es das Unverfälschte, was einen Popsong groß macht?
Inspiration kommt, wenn der Verstand geht – es ist eine Art Meditation. Ich versuche nicht, Musik zu schreiben. Plötzlich startet die Musik, und dann verliere ich mich.
Und das funktioniert? Ganz ohne Grübeln und Arbeit?
Was ich herausgefunden habe: Viele kleine Kinder mögen meine Musik. Die lieben „It’s raining again“. Die Kinder haben in dem Alter noch keine Filter, die wir ja alle im Laufe unseren Lebens aufbauen. Die mögen, was sie mögen, ohne große rationale Erklärungen. Ich denke, das ist eine Art Beweis für die These mit der unschuldigen, unverfälschten Reinheit eines Popsongs, der funktioniert.