Die bayerische Hochzeits-Gaudi
Wenn die Hochzeit zur Lachnummer wird: Im bayerischen Karneval sind Faschingshochzeiten vielerorts eine Gaudi mit langer Tradition
München - Mehrere Tausend Menschen werden diesen Sonntag im niederbayerischen Schmatzhausen in der Hallertau erwartet, wenn sich zwei Junggesellen das Ja-Wort geben. Doch lange wird das Eheglück des 27 Jahre alten Stoffe Biergart, der mit bürgerlichem Namen Stephan Weingart heißt, und der 20-jährigen Schachteline Gsindelbeck, die eigentlich Tobias Schindlbeck ist,
nicht halten. Bereits nach neun Tagen werden sie sich scheiden lassen. „Das ist halt der Vorteil zur Realität“, witzelt Weingart. Natürlich ist es keine echt Hochzeit – in Schmatzhausen findet nach 25 Jahren wieder eine Faschingshochzeit statt.
„Das ist ein großes Ereignis für das Dorf und für die ganze Region. Alle Vereine machen dabei mit“, sagt Bürgermeister Peter Dreier (Freie Wähler) stolz. Rund 300 der knapp 800 Bewohner des Ortes seien bei dem vom Burschenverein „Heiterkeit“ organisierten Faschingsklamauk eingebunden. Mehrere Tausend Schaulustige werden allein am Sonntag erwartet, wenn die Hochzeitsgesellschaft in historischen Kleidern mit traditionellen Gespannen mit Pferden und Ochsen durchs Dorf ziehen.
Dass Weingart den Bräutigam bei dem Spektakel mimt, ist kein Zufall. „Der Bräutigam ist immer ein kleiner Schmächtiger, während die Braut groß und kräftig sein muss. Und ich bin halt nicht gerade der Größte und Kräftigste“, räumt er ein. Daher sei die Auswahl im Burschenverein, in dem ausschließlich ledige Männer sind, nicht schwer gefallen. Aber ihn stört das nicht. Er freut sich auf die Gaudi: „Des passt scho'. Ist halt Fasching“
Die sogenannten Faschingshochzeiten haben eine lange Tradition im Freistaat. Der Münchner Brauchtumsforscher Albert Bichler schätzt, dass es die Faschingshochzeiten schon seit rund 200 Jahren gibt. Genau lasse sich das allerdings nicht sagen. Es sei eine Faschingsgaudi, bei der zwei Männer zum Spaß heiraten. In Schmatzhausen ist die erste Faschingshochzeit im Jahr 1934 belegt. „Allerdings ist die Tradition sicherlich schon älter“, ist sich Bräutigam Weingart sicher. So soll es Faschingshochzeiten bereits vor dem Ersten Weltkrieg gegeben haben.
Auch Brauchstums-Experte Siegfried Götze kennt die Tradition: „Der gesamte Ablauf einer Traditionshochzeit wurde persifliert und parodiert“. Auch in Schmatzhausen findet bereits am Freitag die Schenke, also die Verlobung, statt, bevor am Sonntag die eigentliche Hochzeit mit historischem Umzug erfolgt und am Fastnachtsdienstag (21. Februar) die Frischvermählten wieder geschieden werden.
„Die Faschingshochzeiten sind eine Parodie auf die früheren Bauernhochzeiten, derb und lustig“, berichtet Michael Lidl aus dem schwäbischen Mering bei Augsburg. Der 65-Jährige war als Bürgermeistersohn früher auf vielen Bauernhochzeiten und kennt das, was dort auf die Schippe genommen wird. Daher hat er im vergangenen Jahr Hilfestellung bei der Organisation einer Faschingshochzeit geleistet. Die Faschingshochzeiten fanden Lidl zufolge früher in der letzten Faschingswoche statt. Am Donnerstag der Woche hätten die Bauern meist frei gehabt und diese Gaudi veranstaltet: „Die Trauung fand dann auf einem Misthaufen statt.“ Doch diese Tradition wurde zum Glück nicht übernommen.
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