„Die Armee kann keine Sicherheit schaffen“

Zum Abschluss des 29. Erlanger Poetenfests dominierten zu gutem Wetter Mord und Terror.
von  Abendzeitung
„Als Israeli weiß man nie, ob es eine Zukunft geben wird“: David Grossmann und Verena Auffermann im Gespräch beim Erlanger Poetenfest.
„Als Israeli weiß man nie, ob es eine Zukunft geben wird“: David Grossmann und Verena Auffermann im Gespräch beim Erlanger Poetenfest. © Veranstalter

ERLANGEN - Zum Abschluss des 29. Erlanger Poetenfests dominierten zu gutem Wetter Mord und Terror.

Sonnenschein und leichte Brise sorgten am Sonntag noch einmal für sich Bahnen brechende Publikumsströme beim Erlanger Poetenfest, passten aber so gar nicht zur Tagesdramaturgie: Mord und Totschlag, Terror und Krieg allerorten. Blut floss bei Bachmann-Preisträger Jens Petersen auf dem Hauptpodium wie in den diskutierten „Krimis aus der Heimat“.

Vermeintliche Terrorgefahr ließ den Senatssaal im Schloss überquellen und setzte einmal mehr das Rennen über die Stolperpiste Richtung Redoutensaal in Gang: „Angriff auf die Freiheit? Leben im Überwachungsstaat“ haben Juli Zeh (in Nürnberg gabs im Frühjahr die Bühnenversion ihres „Spieltrieb“-Romans) und Ilija Trojanow ihr Buch programmatisch genannt. Neben interessanten Details (2004 wurden 8 Millionen Bürger gescannt, der Fahndungserfolg lag bei null) und knackigen Thesen gab es auf die Frage, ob und wie wir uns gegen die Überwachungsbestrebungen des Staates wehren können, keine Antwort.

Ganz anders das Porträt von David Grossmann, dem großen israelischen Erzähler. Im ausverkauften Markgrafentheater umkreiste Verena Auffermann vor allem seinen gerade auf Deutsch erschienenen Roman „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ (Hanser, 736 Seiten, 24.90 Euro). Mit beeindruckender Intensität schildert Grossmann die Geschichte einer Frau, die ihren Lieblingssohn zu einer Militäraktion bringt, dann mit ihrem Jugendfreund durch Israel wandert, um der erahnten Todesnachricht zu entgehen.

Konzentriert sprachen die beiden über das paradoxe Leben in Israel. Während seiner fünfeinhalbjährigen Arbeit am Roman verlor Grossmann im zweiten Libanonkrieg seinen Sohn Uri — und schrieb weiter, „um nicht in Apathie und Zynismus zu verfallen“. Bald wird der Pazifist, der Israels Armee für überlebensnotwendig hält und zugleich weiß, dass die Armee keine Sicherheit schaffen kann, den Eintritt seiner Tochter ins Militär erleben: „Es ist schwer, sehr schwer. Aber das ist unsere Realität.“ Als Schriftsteller ist der Friedensaktivist „nicht links oder rechts, sondern ich versuche, alles so exakt aufzuschreiben mit so vielen Nuancen wie möglich.“ Ein nachdenklicher Abend, so kraftvoll wie Grossmanns genialer Roman. <</p>

Georg Kasch

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