Dicke Luft ums Rauchverbot: Die erste Regierungskrise

Das Hin und Her der CSU-Spitze in Sachen Rauchverbot sorgt an der Basis für Verbitterung. Die Kritik an Erwin Huber und Günther Beckstein wird immer schärfer und bringt das Tandem in schwere Bedrängnis.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
In der Kritik: Georg Schmid, der Architekt des Rauchverbots
dpa In der Kritik: Georg Schmid, der Architekt des Rauchverbots

MÜNCHEN - Das Hin und Her der CSU-Spitze in Sachen Rauchverbot sorgt an der Basis für Verbitterung. Die Kritik an Erwin Huber und Günther Beckstein wird immer schärfer und bringt das Tandem in schwere Bedrängnis.

Stellen Sie sich vor, die CSU macht ein Gesetz, das sie jetzt nicht mehr ernst nehmen will. Eine Armada von Juristen zerbricht sich den Kopf, wie man Regeln aufstellen kann, die keiner beachten muss. Der Parteichef, der Ministerpräsident, der Fraktionschef und der Gesundheitsminister machen täglich Krisensitzungen, um die Quadratur des Kreises zu erfinden: Das Gesetz soll weiter gültig sein, seine Übertretung soll aber nicht verfolgt werden.

Die Juristen nennen das vielleicht rechtsfreie Räume. Für den Normalverbraucher aber klingt das eher nach Absurdistan. Doch wir sind in Bayern – ausgerechnet da, wo der einstige Law-and-Oder-Mann Günther Beckstein, der schon die bestrafen will, die in der U- und S-Bahn ihre Füße auf die Bank legen, mit seinem Tandem-Partner Erwin Huber seit Oktober regiert. Aber es geht hier nicht um schmutzige Schuhe, sondern um eine Sucht.

Den Nichtrauchern raucht der Kopf

Doch das Rauchen gefährdet jetzt ihren Job. Auch wenn beide Nichtraucher sind. „Jetzt wollen alle meinen rauchenden Kopf sehen“, frotzelte Beckstein noch gestern Nachmittag und versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen, bevor sich die Parteispitze um 17 Uhr wieder zu einer Krisensitzung traf. Denn das strikte Rauchverbot, das Fraktionschef Georg Schmid in der Fraktion durchgesetzt hat, und das gerade seit acht Wochen in Kraft ist, führt in Bayern zu einer Regierungskrise.

Noch am Montag, bei der Analyse des Wahldesasters war man sich im CSU-Vorstand einig: „Bloß keine Schnellschüsse.“ Doch jetzt knickt das Tandem ein. Huber und Beckstein kann es nicht mehr schnell genug gehen, um dass strikte Rauchverbot aufzuweichen.

Verboten, aber nicht sanktioniert

Wenn auch vorerst nur mit einem Trick. Das Rauchverbot bleibt. In den Bierzelten aber soll es von „Sanktionen freigestellt werden“, weil die Durchsetzung zu schwierig sei. Ein Verbot ohne Strafe. CSU absurd. Eigentlich geht es darum, dass jetzt keiner sein Gesicht verlieren darf.

Schon gar nicht Fraktionschef Georg Schmid nach seinem kometenhaften Aufstieg vom „Schüttel- Schorsch“ zum „eisernen Georg“. Das Rauchverbot ist sein Baby. Sein Prestige. Sein Erfolg. Zumindest bei der großen Mehrheit der Nichtraucher in Bayern.

Auch Parteichef Erwin Huber will nicht das Nachsehen haben. Nach der Kommunalwahl findet er das Rauchverbot plötzlich „ideologisch und fundimäßig“ und will es lockern, obwohl auch er dem Gesetz zugestimmt hatte. Doch um Gesichtsverlust geht es inzwischen schon lange nicht mehr. Sondern um Stimmenverlust. Und noch mehr: Um den Verlust der Macht.

Nun fallen auch Stoibers Nachfolger um

Die CSU als Umfaller? Das war schon immer ein Zeichen von Schwäche. Das müsste keine besser wissen als die bayerische Regierungspartei. Genau das haben sie Edmund Stoiber vorgeworfen, als er erst mit großem Trara nach Berlin wollte und dann wieder zurück nach Bayern floh. Die bayerischen Wähler würden das nicht verzeihen. Und die Partei-Basis auch nicht. Genau deshalb musste Stoiber nach Kreuth seine Sachen packen. Nun fallen auch seine Nachfolger Huber und Beckstein beim Rauchverbot um.

In der Fraktion und an der Basis haben sie schon reagiert. Max Strehle, Mitglied des Fraktionsvorstands, fasst zusammen, was CSU-Basis und Bürger jetzt denken: „Die sagen doch: ,Was soll jetzt das? Ihr seid’s ja nicht mehr kalkulierbar.’ Und das ist“, so der Landtagsabgeordnete aus Augsburg, „wohl das Schlimmste, was einer Partei passieren kann.“

"Alle taumeln vor sich hin"

Schon werden in der Partei wieder Szenarien an die Wand gemalt, wie damals beim Sturz von Stoiber. Ein dilettantisches Krisen-Management kreidet man seinen Nachfolgern an. Immer mehr zeige sich, dass Beckstein und Huber überfordert seien. In Berlin werde nichts mehr gezündelt. Und in Bayern zünde nichts mehr. Ein einflussreicher Partei-Stratege: „So taumeln alle vor sich hin und keiner kann dabei den anderen halten.“

Ein einflussreicher Vorständler prophezeit gar: „Wenn jetzt der Horst Seehofer aufsteht, dann ist er noch vor dem Herbst Parteivorsitzender“. Offen aber will das noch keiner sagen. Der Europa- Chef der CSU, Markus Ferber, fühlt sich schon bemüßigt, Durchhalteparolen auszugeben: „Wir müssen durchhalten. Wir haben keine Alternative.“

Niederlagen als Siege verkauft

An die, „die jetzt nervös werden“ appelliert er: „Wir haben zu viele, die zuschauen und das Tandem bewerten, statt selbst mit anzupacken.“ Doch ob das bei der in Panik geratenen CSU etwas nützt? Beckstein muss schon versichern: „Natürlich stehe ich zu Erwin Huber. Wenn man bei etwas stürmischerem Wind jemanden in der Rücken fällt, wäre das nicht die vertrauensvolle Arbeit.

CSU-Chef Erwin Huber macht das, was er einst als Generalsekretär von Franz Josef Strauß gelernt hatte. Er verkauft Niederlagen als Siege. „Ein Umfallen ist das nicht“, sagt er zur AZ. „Ich stehe das als Stärke der CSU. Sie war immer in der Lage das gerade zu biegen, wo sie übers Ziel hinausgeschossen ist.“

Angela Böhm

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.