Deutschlands Dönerkönig ist Franke

Wer in Nürnberg die türkische Spezialität isst, kommt an ihr nicht vorbei: die traditionelle Schlachterei Bärlein-Denterlein.
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Kerstin (22), Alex (25), Peter und Christel (beide 47, v. li.) Bärlein-Denterlein mit einem fertigen Spieß vor einem Kühlfahrzeug.
Martin Mai 3 Kerstin (22), Alex (25), Peter und Christel (beide 47, v. li.) Bärlein-Denterlein mit einem fertigen Spieß vor einem Kühlfahrzeug.
Für manche Spieße wird das Fleisch sogar noch von Hand geschnitten. Der Chef (rechts) erklärt einem Mitarbeiter, wie’s richtig geht.
Martin Mai 3 Für manche Spieße wird das Fleisch sogar noch von Hand geschnitten. Der Chef (rechts) erklärt einem Mitarbeiter, wie’s richtig geht.
Der Döner-König in seinem Schlachthaus: Peter Bärlein-Denterlein (links) mit einem Mitarbeiter und den fertigen Döner-Spießen, die gerade aus dem Kühlhaus kommen.
Martin Mai 3 Der Döner-König in seinem Schlachthaus: Peter Bärlein-Denterlein (links) mit einem Mitarbeiter und den fertigen Döner-Spießen, die gerade aus dem Kühlhaus kommen.

Wer in Nürnberg die türkische Spezialität isst, kommt an ihr nicht vorbei: die traditionelle Schlachterei Bärlein-Denterlein.

NEUSTADT/NÜRNBERG Der Döner-Macher klatscht mit seinen riesigen Händen das Fleisch auf den Spieß. In einer fließenden Bewegung schneidet er die überhängenden Stücke ab. Mit jedem Puten-Schnitzel wächst der Fleischberg in die Höhe, gewinnt die Form des Döner-Spießes. Was nicht ins Bild passt: Der Döner-Macher ist blond, blauäugig, Christ, Franke durch und durch – und kommt aus Neustadt an der Aisch.

Peter Bärlein-Denterlein ist der Döner-König von Nürnberg. Und der von Fürth. Und der von Erlangen. Einer der größten in Deutschland. Wer gerne Döner isst, kommt nicht um diesen Hünen herum: Seine Metzgerei beliefert als einziger islamischer Schlachter in einem Umkreis von gut 150 Kilometern rund 200 Supermärkte und Döner-Buden. „Ich sag’ immer: Wir sind ein islamischer Betrieb unter christlicher Leitung“, so der 47-jährige Chef mit dem großen Silber-Kreuz um den Hals.

Es ist fünf Uhr morgens. Peter Bärlein-Denterlein, Chef von 23 Angestellten, steht gut gelaunt mit leicht blutigen Hygiene-Klamotten in seinem blitzsauberen Schlachthaus in Neustadt an der Aisch. Es riecht nach Blut und Fleisch, die weiß gekachelten Wände und der Boden sind noch feucht vom Abspülen. Chrom-Schienen hängen von der Decke, daran, auf blitzenden Haken, Dutzende frisch geschlachtete Lämmer und Kälber. In großen roten Plastik-Kisten liegt das fertig portionierte Fleisch.

Mitarbeiter Ömer schlachtet die Tiere nach Helal-Ritus

Jeden Morgen um 2.30 Uhr fängt die Metzgerei zu arbeiten an, sechs Tage die Woche. Um 6.30 Uhr müssen die Lieferungen raus: jeden Tag sechs Tonnen Helal-geschlachtetes Fleisch. Peter Bärlein-Denterlein lässt für den muslimischen Schlacht-Ritus den entscheidenden Schnitt durch den Hals von einem angestellten Muslim („Mei Ömer macht des“) durchführen. Der spricht auch das erforderliche Gebet und achtet darauf, dass die übrigen religiösen Vorgaben eingehalten werden. Trotzdem lässt sich das mit dem deutschen Tierschutz vereinbaren: Die Tiere werden vor der Schlachtung betäubt.

Doch es schwingt wohl ein Grundmisstrauen mit, wenn man auf die Einhaltung einer religiösen Vorschrift wert legt. Deshalb standen schon mitten in der Nacht islamische Geistliche zwischen den toten Tieren und den arbeitenden Schlachtern. „Aber die waren immer super zufrieden“, sagt der Metzger.

Einer der Gründe: Bärlein-Denterlein schlachtet keine Schweine. Nur Rinder, Kälber, Schafe, Lämmer – immer von Betrieben aus der Region. Und das seit 20 Jahren. Damals hat der Familienbetrieb in dritter Generation angefangen, Döner-Fleisch auszuliefern. Anfangs waren es nur wenige Döner-Läden, die die Neustädter belieferten. Mit der Zeit und dank Mundpropaganda wurden es mehr und mehr.

Für einen Spieß braucht der Chef nur 15 Minuten

Eineinhalb Tonnen Dönerspieße liefert die Schlachterei jede Woche aus: Dünn geschnittene Scheiben aus Putenfleisch werden mit der Würzung zum fertigen Spieß. Für einen einzigen Döner-Spieß braucht der Chef rund 15 Minuten. Jeder Spieß wiegt zwischen zehn und 60 Kilo. Doch die meisten Kunden erhalten nur das fertig gewürzte und vorbereitete Fleisch (über sechs Tonnen pro Tag) und belegen ihren Spieß selbst, erklärt Bärlein-Denterlein. „Das sind echte Künstler“, sagt er bewundernd.

Die aber eher unorganisiert sind, wie seine Frau Christel (47) schmunzelnd feststellt. Es ist sieben Uhr früh, die Lieferungen sind raus, und die Familie – Tochter Kerstin (22), Schwiegersohn Alex (25), Peter und Christel – sitzt beim Frühstück. Das Esszimmer ist rustikal eingerichtet. Peter Bärlein-Denterlein, ein schwerer, großer Mann, hat einen Hang zu antiken Möbeln.

Während Christel isst, erklärt sie, wie das Döner-Geschäft funktioniert. Rund die Hälfte der über 200 Kunden gibt nämlich gar keine Bestellung auf: „Da schätze ich jeden Morgen, was die den Tag über verkaufen.“

Der Arbeitsbeginn ist jeden Tag pünktlich um 2.30 Uhr

Und bisher lag sie noch nie falsch: Christel Bärlein-Denterlein schaut sich noch in der Nacht die Wettervorhersage an: Wird es regnerisch, verkaufen Döner-Buden ohne trockene Sitzplätze weniger. Liegt ein Imbiss neben einer Schule, kriegt der in den Ferien weniger Fleisch. Umgekehrt: Buden in der Fußgängerzone kriegen bei schönem Wetter mehr. Damit die insgesamt sechs Kühl-Fahrzeuge das Frischfleisch abliefen können, haben die Fahrer eigene Schlüssel zu den einzelnen Imbissen.

Für ihren Erfolg haben die Bärlein-Denterleins ein „normales“ Leben aufgegeben. Arbeitsbeginn ist um 2.30 Uhr, Arbeitsende gegen 18 Uhr. Um zehn Uhr spätestens sind die sieben Familienmitglieder wieder erschöpft im Bett. Seit 20 Jahren, erzählt Peter, haben er und seine Frau keinen Urlaub mehr zusammen gehabt. „Frischfleisch erlaubt das nicht“, sagt der Döner-Macher von Franken. Und beißt herzhaft in eine Wurstsemmel.

Martin Mai

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