»Deshalb brauchen wir acht Prozent mehr!«
»So kann ich keine Familie ernähren«: Abfallentsorger, Stadtreinigung und Erziher streikten. Nach ver.di- Angaben beteiligten sich über 6000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst an der Abschlusskundgebung auf dem Kornmarkt.
NÜRNBERG 6000 waren es, nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die gestern weitere Warnschüsse Richtung Arbeitgeber abgegeben haben: Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst beharren auf acht Prozent mehr Lohn und zeigten dem kommunalem Arbeitgeberverband VKA einmal mehr die Zähne: Nürnbergs Mülltonen blieben ungeleert, wer sein neues Auto zulassen oder seinen Wohnsitz ummelden wollte, stand vor geschlossenen Amtsstuben. Und Eltern mit kleinen Kindern mussten sich Betreuungsalternativen suchen, denn es streikten auch die 300 Mitarbeiter von Nürnbergs Kindertagestätten. In der AZ erklären die Streikenden ihr Anliegen:
„Acht Prozent mehr Lohn, nicht mehr und nicht weniger“
43 Kinder verschiedenster sozialer und ethnischer Herkunft, sieben Erzieherinnen, darunter eine Praktikantin – „unser Beruf ist sehr anstrengend“, sagt Sonja Ebner, Leiterin des Kinderhorts in der Schreyerstraße in Nürnberg-Gostenhof. Anstrengend, anspruchsvoll und erfüllend, aber alles andere als lukrativ: „Nach fünf Jahren Ausbildung gehen unsere Erzieherinnen mit gerade mal 1200 Euro netto heim“, klagen Ebner und ihre Kolleginnen. Gestern kämpften sie bei der Demo am Kornmarkt für ihre Sache: „Acht Prozent mehr Lohn, nicht mehr und nicht weniger“, fordert Ebner – das Angebot der Arbeitgeber von fünf Prozent bei gleichzeitiger Anhebung der Arbeitszeit auf 40 Stunden: „indiskutabel“.
„Alles wird teurer“, ergänzt Kollegin Michaela Würth (24), „Strom, Gas, Mieten, Lebensmittel.“ Da ihr Freund noch studiert und kein eigenes Geld verdient, haben die beiden spontan geheiratet, um vom günstigeren Steuersatz zu profitieren, „jetzt habe ich wenigstens 1500 Euro.“ Ihre Chefin verdient zwar mehr, hat aber eine Tochter an der Uni: „Ich muss die Studiengebühren finanzieren, ihre Miete zahlen, ihren Kühlschrank füllen.“
Gutes Geld für gute Leistung.
Oliver Erkner (30), einziger Mann im Kinderhort Schreyerstraße, will daher erst mal kinderlos bleiben: „Mit den 1250 Euro, die ich monatlich bekomme, könnte ich als Alleinverdiener nie im Leben eine Familie ernähren.“ Entschlossen reckt er sein selbst gebasteltes Banner in die Höhe: „Qualifizierte Arbeit braucht entsprechenden Lohn“ ist da zu lesen, dem Erzieher stinkt es, dass „soziale Berufe so einen niedrigen Stand haben“.
Aber nicht nur die: Auch die ehrenwerten und wichtigen Leistungen der Abfallentsorger und Stadtreiniger werden – meinen zumindest die 400 Beschäftigten der Nürnberger ASN – nur sehr schmal entlohnt: Mit 1200 Euro müssen Günter Wittmann (56), Basilio Cariadi (44) und Carmine Moscariello (53) seit jahren ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien bestreiten, während „alle Lebenshaltungskosten steigen“, so Cariadi.
Klingt verständlich: Noch können die Streikenden auf die Solidarität der Bevölkerung setzen: „Die Eltern unserer Kinder unterstützen uns“, bekräftigt Erzieherin Michaela. Jetzt hofft sie, dass der Warnstreik fruchtet. Denn wenn langfristige Arbeitsniederlegungen das öffentliche Leben lahm legen sollten, wird auch das Verständnis der Bürger schwinden. Frag’ nach bei den Lokführern der GDL...Steffen Windschall
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