Der wütende Widerspruch
NÜRNBERG - Neil Young, Amerika-Patriot, Bush-Feind und Energie-Prophet, kommt zum einzigen Bayern-Konzert nach Coburg – die AZ verlost Karten
Er scheint also wieder beim Lärm angelangt, in der aktuellen „Electric Rock Show“, mit der er in kleiner Besetzung und Rumpelkammer-Aura auf der Bühne zur Zeit Europa bereist. Da ist Neil Young, der ewig Widersprüchliche, der „unvergleichliche Schmerzensmann des Rock’n’Roll“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung huldvoll bezeichnete, wieder der Wüterich, wie man ihn in Nürnberg zuletzt erlebt hatte. Wo er in der Nachbarschaft von Pearl Jam nochmals bei „Rock im Park“ (bevor das Festivalkonzept strikt auf Jugendwahn umgestellt wurde) den „Paten des Grunge“ gab, mit Feedback-Gejaule im Patrioten-Flanellhemd des aufrechten Landmannes. Jetzt kommt Neil Young, der 62-jährige Kanadier mit der Amerika-Psyche, mit seiner Band auf den Coburger Schlossplatz. Am 23. August, wenn die Menschen dort Katie Melua, Ich & Ich und Die Fantastischen Vier als berechenbare Größen hinter sich gelassen haben.
Da wird mit „Hey Hey, My My“, „Heart of Gold“, „Dirty Ol’ man“ und „The Needle and the Damage Done“ auch die Karriere eines Musikers aufgefädelt, der sich zuletzt zum Anti-Bush-Kämpfer machte. Mit einem schwachen Album voller Pamphlet-Poesie (die programmatische CD „Living with the War“ bezeichnete die Tageszeitung „Welt“ als „Leierkastenmusik“ voll tiefster Naivität) und auch einer Film-Dokumenation (für die er sich vor zwei Jahren mit den alten Weg-, Drogen- und Streitgefährten Crosby, Stills, Nash & Young aufmachte zum „letzten Gefecht der Hippie-Generation“). Zu einem Zeitpunkt, wo es nicht mehr sehr mutig war, sich gegen die Kriegstreiber-Clique zu stellen. Höchstens im erzkonservativen Amerika, für dessen Mythos Neil Young, der zu Bäumen betet oder Regenbögen, Canyons und Adler besingt, durchaus Sympathien pflegt.
"Protest-Ikone" oder "Väterchen Rost"?
Aber die hegte die vermeintliche „Protest-Ikone“ in den 80er Jahren auch schon für Ronald Reagan, und Vorbehalte gegenüber Barack Obamas durchaus strammem Weltpolizistenverständnis sind auch nicht bekannt. Mit verwirrenden Einschätzungen von „Väterchen Rost“ mussten seine Anhänger schon immer leben, der Widerstand gegen das System einmal als „Anpinkeln gegen den Wind“ bezeichnete und sich nach Todesahnung (2005 Blutgerinsel im Gehirn) lieber über Frau, Gott und Kinder beugte.
„Musik ist wichtig, aber ich denke, sie ist kein großer Motor für Veränderungen“, verriet er einmal: „Die Situation ist viel existenzieller und wir müssen uns den Tatsachen stellen“. Der Friedensschrei ist schon wieder passé, momentan rückt er den Kampf ums Öl und die Zukunft der Fortbewegung in sein Blickfeld. Seinen alten Straßenkreuzer, einen tonnenschweren Lincoln-Spritfresser, will er gerade umrüsten auf Elektro-Hybridmotor. Und damit ist der Vorzeige-Amerikaner wohl wirklich visionärer als seine Energieschleuder-Landsleute.
Wenn man Glück hat und Neil Young nicht wortlos durch seine Songs stürmt, entfacht das Rumpelstilzchen mit der signalhaften Fistelstimme und den überrumpelndsten Gitarren-Soli des Rock-Geschäfts immerhin einen Hurrikan, der selbst standfeste Kritiker umhaut. „Die schiere Wucht der Musik“ wurde gerade beim Auftritt in Oberhausen gefeiert. Coburg als einzige bayerische Konzert-Station hat also durchaus Chancen.
Andreas Radlmaier
Neil Young tritt am 23. August (19 Uhr) auf dem Coburger Schlossplatz auf. Die AZ verlost 5 x 2 Eintrittskarten für das Open-Air. Einfach bis 14. August (Poststempel!) eine Postkarte an: Abendzeitung, Stichwort: Young, Postfach 4252, 90022 Nürnberg schicken.
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