Der Verdächtige im Mordfall Ursula Herrmann gibt sich siegessicher
AUGSBURG - "Ich bin sicher, dass ich freigesprochen werde", sagt Werner M. Vor über 27 Jahren soll er die damals zehnjährige Ursula Herrmann entführt haben. Das Mädchen erstickte qualvoll in einer Holzkiste. M. bestreitet am ersten Tag des Indizienprozesses die Tat.
Ungerührt und siegesgewiss: Werner M. (58), der sich seit gestern wegen der Entführung und des Todes von Ursula Herrmann (†10) vor dem Schwurgericht in Augsburg verantworten muss, wirkt wie einer, der felsenfest davon überzeugt ist, dass ihm niemand etwas anhaben kann. Der große, kräftige Mann zeigte am ersten Prozesstag kaum emotionale Regung – nur einmal, ganz kurz, brach ihm die Stimme, als er über seine kranke, mitangeklagte Frau Gabriele sprach.
Bis auf den letzten der 112 Zuschauerplätze war der Saal 101 besetzt. Minutenlang stand Werner M. im Blitzlichtgewitter – ohne eine Miene zu verziehen. Mehr als 40 Journalisten waren zum Prozessauftakt gekommen.
Um 9.10 Uhr wurde der Angeklagte, der einen olivgrünen Pulli und eine helle Hose trug, in den Saal geführt. Er trug keine Handschellen, begrüßte zuerst seine beiden Anwälte Walter Rubach und Wilhelm Seitz, danach seine Frau per Handschlag. Die 62-Jährige hatte sich auf Krücken zur Anklagebank geschleppt. Sie ist stark gehbehindert, seit sie 1979 bei einem selbst verschuldeten Unfall frontal in einen Kieslaster gerast war.
„Ich habe mit der Tat nichts zu tun“, leitete Werner M. seine 23 Seiten umfassende, einstündige Erklärung ein, die er vorlas. Über diese Erklärung hinaus will er sich während des Prozesses nicht mehr äußern. „Ich bedauere den Tod von Ursula Herrmann und ich bedauere das Schicksal der Familie Herrmann“, las er vor. Doch schon im nächsten Satz gab er sich kämpferisch: „Heute stehe ich aber hier und muss um mein Leben und das meiner Frau kämpfen - und das werde ich tun.“
Anschließend versuchte er, möglichst viele der Indizien, die gegen ihn sprechen, zu widerlegen. Er berichtete detailliert, was er in den Tagen vor und nach der Entführung sowie am Tattag gemacht hatte. Er rechtfertigte sich für Ungenauigkeiten in früheren Vernehmungen oder für vermeintliche Widersprüche.
Am Tattag will er mit seiner Frau und Freunden Pilze gegessen haben, anschließend habe man das Strategiespiel „Risiko“ gespielt – das Alibi halten die Ermittler für falsch und abgesprochen.
Den Vorsitzenden Richter Wolfgang Rothermel, hinter dem 70 Aktenordner zum Fall Ursula Herrmann aufgereiht waren, fragte Werner M.: „Wäre ich der eiskalte, gefühllose Verbrecher, der umsichtig und langwierig diese mir jetzt zur Last gelegt Tat begangen hätte - meinen Sie nicht, dass ich dann genauso umsichtig und vorausschauend mir ein hieb- und stichfestes Alibi beschafft hätte?“
"Ich bin sicherlich kein braver Bürger"
Zu dem Vorwurf, dass er geleugnet haben soll, die Familie Herrmann zu kennen, erwiderte Werner M.: „Ich kannte die Familie nicht, oder allenfalls flüchtig.“ Er erinnere sich nur daran, dass Herr Herrmann ihm einmal als langsamer Autofahrer aufgefallen sei. Dass seine Ex-Frau bei der Familie Herrmann gearbeitet habe, daran habe er damals nicht gedacht. Und mit wem seine Tochter Diana als Kleinkind ab und zu nachmittags gespielt habe, hätte er schlichtweg nicht gewusst.
Auch, dass er selbst nicht immer unbedingt als Sympathieträger dasteht, thematisierte Werner M. im Prozess: „Sie werden unzählige Versuche erleben, mich als einen wahrlich schlechten Menschen darzustellen, dem man allein schon deshalb eine solche Tat zutrauen könnte.“
Er sprach von seiner Vorstrafe wegen Betruges und von „der Geschichte mit dem Hund“ – Werner M. hatte sein eigenes Haustier in der Tiefkühltruhe sterben lassen, weil er am Abfalleimer geschnüffelt hatte.
„Ich bin sicherlich kein braver Bürger, ich war gelegentlich rücksichtslos und in meiner Sprache grob, aber ich nehme für mich in Anspruch, dass ich es nicht grundsätzlich bin.“ Er und seine Frau hätten Ursulas Leben nicht auf dem Gewissen. „Ich bin mir sicher, dass ich am Ende freigesprochen werde!“, schloss er. Einige Zuschauer zeigten sich davon überhaupt nicht beeindruckt. Eine Frau sagte: „Mein Bauch sagt mir, dass er’s war.“ Ein 38-jähriger Umschüler meinte: „Der ist eiskalt, ich glaube, der lügt.“
Nina Job