Der tapfere Versuch, das Unaufhaltbare aufzuhalten

„Heilige Blumen“: Die Nürnberger Kunsthalle präsentiert den rumänischen Künstler Mircea Cantor. Eine Ausstellung, die nachdenklich und erstaunlich glücklich macht
In Rumänien hat Mircea Cantor als Kind die von der Partei inszenierten Demonstrationen für den Kommunismus erlebt. In Paris, wo er mittlerweile neben Bukarest lebt, konnte er später beobachten, dass dort eher gegen die Staatspolitik protestiert wird. Die kleine Gruppe, die der 33-Jährige selbst durch die Straßen der albanischen Hauptstadt Tirana geschickt hat, wollen dagegen nicht die politische Landschaft verändern, sondern die sichtbare. Ihre Protestschilder sind Spiegel, die in der Sonne glitzern, Architektur und Verkehr reflektieren. Es ist ein faszinierendes Bild, das die friedlichen Demonstranten bieten, die einem in der Nürnberger Kunsthalle entgegenkommen. Nur ungern passiert man sie. Aber es muss ein, wenn man mehr von Cantor sehen möchte. Und das muss sein.
So widersprüchlich wie seine Arbeiten sind die Gefühle, die Mircea Cantor mit seinen Videos, Fotografien und Skulpturen beim Betrachter auslöst. Ihre Ästhetik ist anziehend und unmittelbar ansprechend. Ein auf die Wand getupfter Regenbogen bringt ein Lächeln ins Gesicht, das ganz schnell wieder verschwindet. Die bunten Streifen des Friedenssymbols erinnern an Stacheldraht, die Fingerabdrücke, aus denen es geschaffen ist, lassen an Überwachung und Einschränkung persönlicher Freiheiten denken. Ebenso trügerisch sind die auf Schwarz-Weiß-Fotografien abgebildeten „Heiligen Blumen“ – Gebilde, die an Sterne, Rosetten oder Mandalas erinnern. Ein erfreulicher Anblick – bis einem die Erkenntnis, dass sie sich aus Maschinengewehrteilen zusammensetzen, den Atem stocken lässt.
Mircea Cantor wirft mit starken Bildern auf sanfte Art existenzielle Fragen auf. Er geht ans Eingemachte. Dem Weltuntergang setzt er ein Denkmal in Form eines Architekturmodells. Es zeigt eine Stadt, die in den Himmel wächst. Der alles überragende Kran steht noch aufrecht, doch der Wind der ihm entgegenbläst, lässt schon das Totenglöckchen läuten. Weniger Unheil verkündend als viel mehr ein leeres Versprechen sind die „sieben zukünftigen Geschenke“, teils raumfüllende Betonpakete mit Schleife.
Magische sieben an der Zahl sind auch die weiß gekleideten Frauen, die im Video „Tracking Happiness“ wie aus dem weißen Nichts erscheinen und im scheinbar freien weißen Raum mit Besen kehren. Kaum haben ihre nackten Füße Spuren im Sand hinterlassen, werden diese auch schon weggefegt. Nichts ist ewig. Ein Gedanke, der so deprimierend wie tröstlich sein kann, traurig und gleichzeitig seltsam glücklich macht. So glücklich wie Cantors Sohn, den man dabei beobachten darf, wie er versucht, mit der Schere den Wasserstrahl aus einem Hahn abzuschneiden. Cantor betrachtet das Werk als „Selbstporträt“ und Plädoyer für Visionen. Vielleicht die, das Unaufhaltbare aufhalten zu können. U. Maucher
Ab heute 20 Uhr, bis 6. Februar, Kunsthalle, Lorenzer Str. 32