Der Mörder von Rosenheim: Warum war er so grausam?
ROSENHEIM - Er hat seinen kleinen Sohn erhängt und dessen Mutter erschlagen: Auch seine erste Frau hat Franz Müller misshandelt – selbst für Experten ist diese unfassbar brutale Tat ein Einzelfall.
Lacramioara M. hat sich tapfer gegen ihren brutalen Mann gewehrt: Sie verließ ihn trotz des gemeinsamen Kindes, erwirkte ein Kontaktverbot. Vergebens. Am Montag verschaffte sich der 48-Jährige Zutritt zu ihrem Haus, erschlug sie und erhängte den dreijährigen Sohn. Ein Doppelmord, der fassungslos macht – und viele Fragen aufwirft:
Warum mussten Mutter und Kind sterben?
„Manchmal töten Ex-Männer ihre Familien, weil sie Frau und Kinder keinem anderen gönnen“, sagt Psychiater Michael Soyka, Leiter der Privatklinik Meiringen und Mitarbeiter der Nußbaumklinik.
Warum erhängte der Vater den kleinen Marcus?
Michael Soyka hat als Gerichtsgutachter etliche Kindsmörder getroffen. „Eltern töten mit Gas, Gift oder Medikamenten, manche mit dem Messer. Aber es ist mir noch nie untergekommen, dass jemand sein Kind erhängt hat.“ Franz Müller soll Alkoholprobleme haben, laut Statistik geschehen 21 Prozent der Morde und 38 Prozent der Totschlag-Delikte im Suff. „Aber das ist keine typische Rauschtat, keine Kurzschlusshandlung, die in Sekunden passiert“, sagt Soyka. „Erhängen ist äußerst grausam und gleicht einer Hinrichtung.“ Der Experte stuft den Täter als abgestumpfte, gekränkte, dissoziale Persönlichkeit ein, besessen von Rache-Gedanken.
War Franz Müller vorher schon auffällig?
Jede vierte Frau in Deutschland wird Opfer von häuslicher Gewalt. Zwei lebten mit Franz Müller zusammen. Seine erste Frau soll er mit einer Flasche fast totgeschlagen haben, auch Lacramioara verprügelte er. „Er hat seine erste Frau genauso schlimm behandelt wie seine zweite“, erzählt eine Freundin von Lacramioara. Mehrmals war er wegen Gewalt-Exzessen in Haft – ohne sich zu bessern. „Im Gefängnis gibt es zwar Psychologen und Therapeuten. Eine Therapie-Einrichtung ist es aber nicht“, sagt Soyka.
Lacramioara soll ein „Annäherungsverbot“ erwirkt haben. Was heißt das eigentlich?
Voraussetzung können massive Drohungen, Stalking oder eine Körperverletzung sein. „In der Regel verhängt das zuständige Familiengericht eine Bannmeile von 50 bis 250 Metern, innerhalb derer sich der Täter dem Opfer nicht nähern darf“, sagt Opfer-Anwältin Claudia Meng. Verstößt er gegen diesen Beschluss, macht er sich strafbar. Zivilrechtrechtlich droht eine Geldstrafe von bis zu 250000 Euro, strafrechtlich ein Jahr Haft. „Wenn er allerdings vor hat, das Opfer umzubringen, wird ihn Strafandrohung wenig abschrecken.“
Einen Stalker vorbeugend zu inhaftieren, ist laut Gesetz nur möglich, wenn für das Opfer Todesgefahr besteht oder die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung seiner Gesundheit. „Doch dann ist es oft schon zu spät“, sagt Claudia Meng. „Da ist eine Lücke im Gesetz“, so die Anwältin.
Was hätte Lacramioara noch tun können?
In Bayern flüchten jedes Jahr 2000 Frauen mit ihren Kindern in Frauenhäuser, deutschlandweit sind es 40000. „Aber wenn der Täter weiß, wo die Frau arbeitet, passt er sie eben dort ab“, sagt die Münchner Juristin.
Natalie Kettinger