Der menschliche Lügendetektor im AZ-Verhör

Der Verhör-Spezialist Dieter Bindig in der AZ-Vernehmung: Dabei kommt raus, dass der Kripo-Beamte und Buch-Autor selber auch mal lügt  
Interview: Nina Job |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der Kriminalhauptkommissar Dieter Bindig (49) ist seit 30 Jahren Polizist. Er bearbeitet Brand, Sitten- und Tötungsdelikte in Fürstenfeldbruck.
Katharina Alt Der Kriminalhauptkommissar Dieter Bindig (49) ist seit 30 Jahren Polizist. Er bearbeitet Brand, Sitten- und Tötungsdelikte in Fürstenfeldbruck.
Carbonatix Pre-Player Loader

Audio von Carbonatix

Der Verhör-Spezialist Dieter Bindig in der AZ-Vernehmung: Dabei kommt raus, dass der Kripo-Beamte und Buch-Autor selber auch mal lügt.

Fürstenfeldbruck - Er wirkt gutmütig. Dieter Bindig trägt Schnauzer und einen kurz geschorenen Vollbart, seine Stimme ist sanft, die blauen Augen blicken freundlich durch die randlose Brille. Den Polizisten sieht man dem 49-Jährigen nicht an. Vielleicht liegt sein Erfolg auch darin.

Der Kriminalhauptkommissar aus Fürstenfeldbruck ist Vernehmungsspezialist. Ihm macht so schnell keiner was vor. Ob Serienbrandstifter, Mörder oder junge Frau, die eine Straftat vortäuscht, um den Seitensprung mit einem Kollegen zu vertuschen – Dieter Bindig hat aus den unterschiedlichsten Menschen die Wahrheit herausgekitzelt. Zu seinen spektakulären Fällen gehört der Todesschütze von Dachau, der im Januar 2012 Staatsanwalt Tilman T. im Gerichtssaal erschoss. Oder Krimiautor Norbert W. (66), der am 13. April 2013 seine Lebensgefährtin, die Hirmer-Verkäuferin Bettina P., erstach. Bei Dieter Bindig legte er ein umfassendes Geständnis ab.

Wie bringt der Kriminaler Menschen dazu, ihm die Wahrheit zu sagen? Heute erscheint sein Buch „Der Verhörspezialist“ (droemer-Knaur, 8,99 Euro). Darin plaudert der gebürtige Oberfranke aus dem Nähkästchen. Er verrät Polizeitechniken und Verhörstrategien. Die AZ traf ihn in der Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck und tauschte die Rollen: Sie befragte ihn.

AZ: Ich würde Sie eher als „Good Cop“ einschätzen. Werden Sie auch mal laut?

DIETER BINDIG: Als „böser Bulle“ erreicht man nichts. Wenn ich laut werde, zerstöre ich was. Dann dauert es wieder länger, Vertrauen aufzubauen.

Was macht einen guten Vernehmer aus?

Er muss sich für den anderen interessieren, Einfühlungsvermögen haben, eine gute Menschenkenntnis, Beobachtungsgabe und viel Erfahrung. Außerdem ein gutes Gedächtnis und die Fähigkeit, Vorurteile beiseite schieben zu können.

Haben Sie sich selbst schon bei Vorurteilen ertappt?

Ja, ich hätte bei einem Rocker, den ich mal befragt habe, nie einen Buddhisten vermutet. Er war aber einer.

Manche bezeichnen Sie als menschlichen Lügendetektor, sind Sie einer?

Jede Lüge als solche zu erkennen, traue ich mir nicht zu. Entscheidend ist, auf abweichende Reaktionen zu achten. Wenn jemand ein eigentlich banales Geschehen schildert und dann sehr unruhig wird oder sich plötzlich anders verhält als vorher, ist das ein Hinweis auf eine Stress-Reaktion.

Was können solche Stress-Hinweise sein?

Da gibt es zum Beispiel die selbstberuhigenden Gesten. Manche rubbeln ihre Nase oder kneten ihr Ohrläppchen. Wenn jemand etwas nicht sagen will – also sprichwörtlich nicht mit der Sprache heraus will – fassen sich Frauen gern an den Hals oder halten eine Hand vor den Mund. Männer rücken ihre Krawatte zurecht.

Solche Reaktionen könnte man aber vielleicht auch bewusst unterdrücken, oder?

Möglich. Es gibt aber auch körperliche Reaktionen, die sich nicht unterdrücken lassen. Zum Beispiel, dass sich die Pupillen weiten oder man beginnt zu schwitzen.

Stresssymptome zu zeigen, bedeutet ja aber noch nicht automatisch, dass man lügt?

Genau. Eine Vernehmung läuft immer in emotionalen Wellen ab. Das ist ganz normal. Stresssymptome können auch ganz plausible Gründe haben. So kann es sein, dass jemand unruhig auf dem Stuhl hin und her rutscht, weil er dringend auf die Toilette muss. Stresssymptome richtig zu deuten, ist wichtig.

Wenn einer ganz cool bleibt, macht er sich vielleicht auch verdächtig?

Ja, wenn ein Angehöriger eines Opfers keine emotionalen Reaktionen zeigt, mache ich mir Gedanken.

Lügen Sie selber auch?

Natürlich. Die Lüge ist ein alltägliches Mittel, das jeder einsetzt. Wenn ich jede Lüge entdecken würde, könnte ich mit niemandem mehr normal reden. Lügen sind ein wunderbares Schmiermittel. Ohne Lügen wäre es nimmer lustig. Wenn ich jemanden beim Lügen ertappe, bin ich erst am Anfang. Der Grund für die Lüge ist das, was mich interessiert. Ein Grund kann sein, dass sich jemand einfach schämt. Wie zum Beispiel die Frau, die ihren Freund betrogen hat.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.