Der Killer hat auch mich überfallen!

NÜRNBERG Was hat der mutmaßliche Mörder von Lotto-Oma Frieda Hoose (†76) noch alles auf dem Gewissen? Die Kripo untersucht nach seiner Festnahme rund ein Dutzend ungeklärter Raubüberfälle, die alle nach einem ähnlichen Strickmuster verübt worden sind. Eine der Spuren führt in ein Tabakgeschäft in der Willstraße...
Es liegt keine 100 Meter von der Wohnung des mordverdächtigen Algeriers entfernt. Vor gut einem halben Jahr, im Oktober, stand plötzlich ein vermummter und bewaffneter Mann im Laden von Gerd Rechter. Der Täter bedrohte die Angestellte mit einer Pistole, fesselte sie und zwang die Frau, sich hinter der Ladentheke auf den Boden zu legen. Dann raubte er eine große Menge Zigaretten – und verschwand zusammen mit einer Komplizin. Die Polizei, die sehr schnell am Tatort eintraf und sofort eine Großfahndung einleitete, wunderte sich, wie schnell der Täter verschwinden konnte. Wenn Raschid C. (29) der vermummte Räuber war, liegt die Erklärung dafür auf der Hand: Seine Wohnung in der Bärenschanzstraße liegt in Sichtweite des Lottoladens.
Inhaber Gerd Rechter: „Die Polizei hat mir erzählt, dass jetzt mögliche Zusammenhänge mit dem Mordfall überprüft werden. Meiner Ansicht nach könnte er es gewesen sein.“ Dann allerdings nimmt die Kripo auch einen Raubüberfall auf eine Norma-Filiale in Schweinau erneut unter die Lupe. Er fand am Tag zuvor statt und weist aufgrund der Vorgehensweise des Täters erstaunliche Parallelen zum Überfall auf den Lotto-Laden in der Willstraße auf. Aber auch auf den Raubmord an Frieda Hoose am Karsamstag. Zwar wurde bisher nur Raschid C. unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Die Ermittler vermuten jedoch, dass auch an dem Kapitalverbrechen mehrere Personen beteiligt gewesen sein könnten.
Hat Raschid C. Komplizen?
In der Bärenschanzstraße ist die Festnahme des Algeriers Gesprächsthema Nummer 1. Den Äußerungen mancher Anwohner ist eine gewisse Angst zu entnehmen: „Ich will nichts dazu sagen. Wer weiß schon, wer noch alles mit ihm unter einer Decke steckt“, sagt ein Nachbar und läuft eilig davon. Die Bewohner des Hauses, in dem Raschid C. zuletzt lebte, geben sich völlig zugeknöpft oder wollen nichts mitbekommen haben. „Was, er wurde festgenommen?“, fragt eine Bewohnerin, die jeden Tag mehrfach an der von der Polizei versiegelten Wohnung vorbeiläuft.
Eine Nachbarin auf der anderen Straßenseite hat den Großeinsatz der Polizei vom Fenster aus verfolgt, als ein Spezialkommando die Wohnung stürmte. Was ihr auffiel: „Von den Beamten wurden drei weitere Männer an eine Hauswand gestellt, durchsucht und dann fotografiert.“ Was haben sie mit dem Fall zu tun? Ein italienischer Gastwirt, der sein Lokal schräg gegenüber hat und bei dem Raschid C. öfter verkehrte, fiel aus allen Wolken, als die Nachricht von der Festnahme seines Stammkunden die Runde machte: „Er war ein ganz normaler junger Mann. Ruhig und nie aggressiv. Er trank meistens Kaffee, nie Alkohol.“
Den Polizeiakten zufolge war Raschid C. nicht ganz so normal. Er ist mehrfach wegen Diebstählen und Einbrüchen vorbestraft – und hätte in Kürze eine einjährige Haftstrafe absitzen müssen. Außerdem stand seine Abschiebung bevor. Wie der gelernte Schreiner, der vorübergehend mit einer Deutschen verheiratet war, seinen Lebensunterhalt bestritt, ist für die Nachbarn ein Rätsel.