Der Kampf um den Job
In Zeiten der Krise versuchen Arbeitgeber mehr denn je, ihre Mitarbeiter loszuwerden. Nicht immer mit lauteren Mitteln. Beim Arbeitsgericht Nürnberg stieg die Zahl der Kündigungsklagen deutlich
NÜRNBERG Zwei Tage vor Silvester flatterte Korbinian L. die Kündigung ins Haus. Die Krise der Autoindustrie hatte unvermittelt den Staplerfahrer erreicht. Bei seiner Zeitarbeitsfirma hatte der Auftraggeber, ein bayerischer Automobilbauer, den Auftrag gekündigt, der 50-jährige Leiharbeiter wurde nicht mehr gebraucht.
Korbinian L. klagte vor dem Arbeitsgericht – wie viele andere Krisenopfer auch. Der DGB-Rechtsschutz registrierte für Bayern alleine im ersten Halbjahr eine Zunahme von 68 Prozent bei den Kündigungsschutzverfahren. Auch beim Arbeitsgericht Nürnberg stiegen die Zahlen seit Jahresanfang sprunghaft an: Vom 1. Januar bis zum 30. November 2008 waren noch 4635 Kündigungsklagen eingegangen. Ein Jahr später waren es im gleichen Zeitraum bereits 5889. Das entspricht einem Zuwachs von rund 20 Prozent!
Die Zahlen zeigen: Die Gangart zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird härter. Verhaltensbedingte Kündigungen hätten sich verdoppelt, berichtet Marcus Schneider vom DGB Rechtsschutz.
"Da gibt es keineGewinner oder Verlierer"
Ein typischer Vorwurf von Chefs: Der Mitarbeiter habevorsätzlich schlecht gearbeitet (siehe Kasten unten) „Die Arbeitgeber ziehen alle Register“, weiß Schneider. „Die Krise muss als Grund herhalten, um Leute zu entlassen.“
Ähnliches beobachtet die Arbeitsrechts-Anwältin Christine Steinicken: „Oft werden auch betriebsbedingte Kündigungen vorgeschoben, um Leute loszuwerden“, sagt sie. In vielen Fällen seien die Entlassungen aber anfechtbar. „Die Arbeitgeber tun sich oft schwer, konkrete Gründe für die Kündigung zu nennen“, weiß auch der Anwalt Knut Müller. Der Arbeitsrechts-Experte vertritt beide Seiten, kennt das Problem aus Arbeitnehmer- wie Arbeitgeber-Perspektive. Auch er sagt, die Zeiten seien härter geworden: „Die Vergleichsbereitschaft bei Kündigungsschutzklagen nimmt stark ab.“
Vergleich bedeutet in einemArbeitsrecht-Verfahren meist Abfindung. „Da gibt es keineGewinner oder Verlierer“, meint der Arbeitsrichter Dieter Gerhard. Die Höhe der Abfindung richtet sich dabeinach den Prozess-Chancen. Die Arbeitsrichter schlagen bei offenem Ausgang oftdie Faustformel vor: pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Bruttomonatsgehalt.
Bei Korbinian L. wären das etwa 3200 Euro gewesen. Doch am Ende sprangen nur 1500 Euro raus. Seine Chancen standen von vorneherein schlecht. Die Zeitarbeitsfirma bot ihm einen Job fern der Heimat an. Ein Angebot, das der zweifache Vater allerdings kaum annehmen konnte. Sein Arbeitslosengeld wäre höher ausgefallen als sein Lohn. Und der hätte nicht einmal gereicht, um für die Fahrtkosten zwischen Arbeit und Familie sowie für Miete und Lebenshaltung aufzukommen.
John Schneider
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