Der falsche Arzt: So einfach trickste er die Uni-Klinik aus

Abizeugnis, Doktortitel: Hochstapler Christian E. (30) hat alle Dokumente gefälscht. Dennoch bekam der Bankangestellte einen Job als Mediziner in Erlangen!
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Christian E. will seine Erlebnisse als falscher Arzt in einem Buch veröffentlichen. Das Manuskript ist bereits fertig (Foto links). Vielleicht bringt ihm der Goldene Ring das erhoffte Glück.
bayernpress.com 2 Christian E. will seine Erlebnisse als falscher Arzt in einem Buch veröffentlichen. Das Manuskript ist bereits fertig (Foto links). Vielleicht bringt ihm der Goldene Ring das erhoffte Glück.
„Ich habe immer noch ein Schippe draufgelegt und wurde immer frecher."
bayernpress.com 2 „Ich habe immer noch ein Schippe draufgelegt und wurde immer frecher."

Abizeugnis, Doktortitel: Hochstapler Christian E. (30) hat alle Dokumente gefälscht. Dennoch bekam der Bankangestellte einen Job als Mediziner in Erlangen!

ERLANGEN Mit gefälschten Dokumenten, die er auf seinem Computer hergestellt hatte, narrte Christian E. (30) die ganze medizinische Zunft. Die Uni-Klinik in Erlangen war so leichtfertig, dass sie den Bankangestellten, der lediglich einen Realschulabschluss vorweisen kann, als Assistenzarzt in der Chirurgie einstellte.

Der AZ erzählte der selbst ernannte Arzt jetzt, wie unfassbar einfach es ihm gemacht wurde

Für seine Show, die deutlich außerhalb der Legalitätsgrenze angesiedelt war, kassierte Christian E. vom Nürnberger Landgericht dreieinhalb Jahre Haft. Sobald das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, muss er ins Gefängnis. Diese Zeit will er nutzen, um per Fernstudium sein Abitur nachzumachen. Und auch sein Berufsziel steht schon fest: „Ich werde auf jeden Fall Medizin studieren und später als Arzt arbeiten. Das ist trotz meiner Vorgeschichte möglich.“

Doch erst einmal ist er auf der Suche nach einem Verleger. „Ich habe über meine Erlebnisse ein Buch geschrieben“, erzählt er und deutet auf einen Aktenordner mit dem bereits fertiggestellten Manuskript. Auch den Titel für das Buch hat er sich bereits ausgedacht: „Wahnsinn in Weiß“.

Aus dem Internet lud sich der Bankangestellte das Formular für ein Abiturzeugnis herunter. Er füllte es aus, gab sich glänzende Noten – und trug sich an der Erlanger Uni als Medizinstudent ein. Weil das so reibungslos funktionierte, war der Bann gebrochen. Christian E.: „Ich habe immer noch ein Schippe draufgelegt und wurde immer frecher. Aber den Schwindel hat einfach keiner gemerkt. Es war der Wahnsinn!“

Christian E. stellte einen Bafög-Antrag – und kassierte in den folgenden zwei Jahren problemlos 20000 Euro staatliche Unterstützung für sein Medizin-Studium. Parallel dazu schraubte er sich mit Hilfe eines ebenfalls gefälschten Zeugnisses im Rettungsdienst auf der Karriereleiter nach oben, wurde als Begleitarzt für Krankentransporte angestellt. Das war die Voraussetzung, dass sich auch die Regierung von Mittelfranken austricksen ließ: Die Behörde stellte ihm anstandslos einen Arztausweis aus.

Er war an fast 200 Operationen beteiligt

Doch Christian E., der auch noch als Dozent an einer Gesundheits- und Pflegeschule tätig war, hatte noch lange nicht genug. Mit Hilfe seines Computers stattete er sich auch noch mit zwei Doktortiteln aus, darunter ein Titel der berühmten Oxford-Universität, und bewarb sich als Assistenzarzt in der Chirurgie der Erlanger Uni-Klinik. An das Einstellungsgespräch erinnert er sich noch allzu gut: „Ich habe mich tagelang darauf vorbereitet, um alle fachlichen Fragen zur Zufriedenheit beantworten zu können. Doch dann kam alles ganz anders. Der Professor fragte mich nur, wann ich anfangen kann. Als ich ,sofort’ sagte, erhielt ich zur Antwort: ,Gut, am nächsten Ersten geht’s los’.“

Über ein Jahr lang arbeitete Christian E. daraufhin als Arzt, war an fast 200 Operationen beteiligt. Seine Gefühle in dieser Zeit schildert er so: „Ich habe jeden Tag damit gerechnet, dass alles auffliegen würde.“ Doch zunächst passierte nichts. Christian E.: „Keiner hatte Zweifel an meiner fachlichen Qualifikation. Ich war sogar Delegierter für die Ärztekammer und nahm mit einem Vortrag an der bedeutendsten Fachkonferenz für Gefäßchirurgie in der Schweiz teil.“

Erst 2008 flog er auf. Ein Kommilitone, der sein Studium gleichzeitig mit Christian E. begonnen hatte, wunderte sich über dessen rasante Karriere - und zeigte ihn an. Der falsche Arzt wurde daraufhin sofort entlassen und landete in der U-Haft. Christian E.: „Ich war richtig erleichtert, als alles zu Ende war. Lange hätte ich die Belastung ohnehin nicht mehr ausgehalten.“

Für die Erlanger Uni-Klinik war die Köpenickiade ein Lehrstück. „Wir stellen niemandem mehr ein, ohne dessen Originalunterlagen genau geprüft zu haben“, sagte ein Sprecher der Universität zur AZ.

Helmut Reister

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