"Der Biber ist eine Schlüsselart für unsere Ökosysteme": Warum der Baumeister so wichtig ist

Der Biber gestaltet den Lebensraum um sich herum, doch nicht immer zu jedermanns Freude. Dabei nimmt das Nagetier eine Schlüsselrolle in Europa ein.
Leonie Fuchs |
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Ein Biber im Wasser - 22.000 Exemplare leben im Freistaat.
Ein Biber im Wasser - 22.000 Exemplare leben im Freistaat. © imago

Er sorgt für Artenvielfalt und Hochwasserschutz, manche nennen ihn gar Ökosystemingenieur: Der Europäische Biber nimmt eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung von Lebensräumen ein.

Viele andere Tiere wie Insekten, Amphibien, Reptilien, Fische, Vögel und auch Fledermäuse profitieren von seiner Bautätigkeit. Er legt Dämme und Kanäle an, baut Burgen und sorgt dafür, dass sich Wasser in Senken ansammelt und Grasfrösche oder Teichmolche darin laichen können. Doch der Baumeister ist nicht überall willkommen.

Anfang des 19. Jahrhunderts ausgerottet

Der Europäische Biber (Castor fiber) war einst von Mitteleuropa bis nach Nordasien verbreitet. Doch wurde er bis ins 19. Jahrhundert unerbittlich gejagt, weil sein Fleisch und sein Pelz begehrt waren. Sein Sekret zur Reviermarkierung, Bibergeil oder Castoreum genannt, wurde Marcus Orlamünder, Naturschutzreferent beim Nabu Thüringen, zufolge als Heilmittel genutzt.

Die Folge: Der Biber war europaweit fast verschwunden, in Bayern war er Anfang des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Schätzungen zufolge europaweit noch etwa 1000 bis 2000 Tiere, sagt Orlamünder.

Unter strengem Schutz

Inzwischen steht der Biber europaweit unter dem strengsten Schutz. Der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und dem Bundesnaturschutzgesetz zufolge dürfen Biber weder gefangen noch gestört werden. Auch seine Bauten darf niemand beschädigen. Dieser strenge Schutz hat dafür gesorgt, dass der Bestand sich langsam erholen konnte.

 

Auch im Freistaat ist das Nagetier durch eine Wiederansiedlung in den sechziger bis achtziger Jahren wieder heimisch geworden. Laut dem bayerischen Umweltministerium wird der Biberbestand deutschlandweit auf 40.000 Tiere geschätzt, 22.000 Exemplare leben dabei im Freistaat. Der sei demnach fast flächendeckend besiedelt.

"Der Biber ist eine Schlüsselart für unsere Ökosysteme"

Berit Arendt ist Bibermanagerin beim Bund Naturschutz und dabei zuständig für Nordbayern. Sie berät bei Problemen und Biberschäden. Betroffen seien oft Gebiete von Teich-, Forst- und Landwirten. Im Gespräch mit der AZ betont Arendt, dass das Säugetier für die Natur "nur Vorteile" hat: "Der Biber ist eine Schlüsselart für unsere Ökosysteme, gerade was unsere degradierten Gewässerlandschaften angeht."

Ein Biber im Wasser - 22.000 Exemplare leben im Freistaat.
Ein Biber im Wasser - 22.000 Exemplare leben im Freistaat. © imago

"Es ist unerschöpflich, was dort an Lebensraum hinzukommt, wo wir den Biber arbeiten lassen", sagt Arendt. Doch dies sei aufgrund unserer "intensiven Kulturlandschaft" nicht überall möglich.

Die größten Nagetiere Europas

Biber schichten Äste auf und bauen sich Burgen, in denen sie schlafen und ihren Nachwuchs aufziehen. Dämme legen sie an, wenn Gewässer nicht tief genug sind oder der Wasserpegel so stark schwankt, dass der Eingang zu ihrer Burg nicht vom Wasser verdeckt ist.

Biber sind die größten Nagetiere Europas, sie leben monogam und im Familienverbund. In der Natur werden sie bis zu 21 Jahre alt, durchschnittlich etwa acht. Die Weibchen bekommen von April bis Juni zwei bis vier Junge. Diese werden mit etwa zwei Jahren aus dem Revier vertrieben und müssen sich selbst einen geeigneten Gewässerabschnitt suchen.

Biber sind Vegetarier

Im Winter besteht die Nahrung des Bibers vor allem aus Baumrinde und Zweigen weicher Hölzer wie Weiden oder Pappeln. Im Sommer fressen die Vegetarier gerne Gras, Kräuter und Wasserpflanzen.

Mit seiner Baufreudigkeit eckt das Tier gerne an und polarisiert damit, so die Biber-Fachfrau Arendt weiter. Laut Bund Naturschutz funktioniert die Nachbarschaft zwischen Nager und Mensch jedoch in rund 70 Prozent der Biberreviere problemlos. Wenn wiederum Konflikte entstünden, dann in 90 Prozent aller Fälle in Revieren, die sich weniger als zehn Meter entfernt vom Wasser befänden.

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Der Deutsche Bauernverband hält den Biber für eine "überschützte" Art. "In einigen Regionen richtet der Biber erhebliche Schäden an, indem unter anderem landwirtschaftliche Flächen geflutet und überstaut werden", teilt dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken mit. "Damit entstehen Ertragsverluste und Vermögensschäden."

Probleme mit Biebern nehmen zu 

Dem Deutschen Bauernverband zufolge nehmen die Probleme mit Bibern im Osten, Westen und Süden des Landes deutlich zu. "Daher muss in einigen Regionen Deutschlands auch die Anzahl der Biber reguliert werden", meint Krüsken.

Entnommen werden dürfe der streng geschützte Biber nur in aller Not, sagt Arendt. Etwa wenn Gefahr für die Bevölkerung bestehe, weil der Biber unter Bahngleise gebaut habe und alle anderen Maßnahmen nichts nützten. Doch: "Wenn wir präventiv arbeiten, entstehen diese Probleme nicht", sagt die bayerische Bibermanagerin. Zudem sei das Problem mit dem Abschuss nicht behoben. "Schießt man ein Tier ab, rückt das nächste in das Revier nach."

Arendt wünscht sich, dass nach langfristigen Lösungen gesucht wird, und sieht die Menschen in der Pflicht, an ihrer Bauweise zu arbeiten, weg von den Gewässern. "Die Konflikte mit dem Tier treten überall dort auf, wo der Mensch Gewässer verändert oder zu dicht am Ufer gebaut hat." Auch müsse der Biber bei künftigen Renaturierungen und Bebauungen mit eingeplant werden.

Keine Konflikte zwischen Mensch und Tier

Halte man sich zudem an das vorgeschriebene Bibermanagement, das es seit 1996 in Bayern gebe, gebe es keine Konflikte zwischen Mensch und Tier, so die Naturschützerin. Dieses beruht laut Webseite des Bundesumweltministeriums auf den vier Säulen "Beratung, Prävention, Zugriffsmaßnahmen und Ausgleichszahlungen".

"In Zeiten eines gigantischen Artenschwundes muss uns eigentlich so einer nur willkommen sein", sagt auch Nabu-Experte Orlamünder über den Biber.

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