Der Amokläufer von Ansbach: Wann bricht er sein Schweigen?
Georg R. (18) macht weiter keine Angaben. Nächste Woche kommt er vom Krankenhaus ins Gefängnis. Die zwei schwer verletzten Mädchen konnten die Klinik verlassen.
ANSBACH Auch drei Wochen nach dem fürchterlichen Massaker im Ansbacher Gymnasium Carolinum hat der 18-jährige Georg R. sein Schweigen zu Motiv und Hintergrund der Tat nicht gebrochen. Für die Ermittler ist dies enttäuschend. Sie hatten sich von seinen Aussagen wertvolle Aufschlüsse über die Denkstrukturen eines Amokläufers versprochen – denn bisher hatte keiner dieser Täter einen Anschlag überlebt.
Noch liegt Georg R. als Patient im Ansbacher Klinikum in einem Einzelzimmer. Polizeibeamte hatten ihn im Schulhaus mit drei Schüssen niedergestreckt, um ein noch größeres Blutbad zu verhindern. Eine Kugel traf ihn im Bauch, verletzte mehrere innere Organe, und machte eine Reihe von Operationen notwendig. Inzwischen hat sich Georg R. körperlich jedoch wieder so weit erholt, dass er in der kommenden Woche in die Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt Würzburg verlegt werden kann. Bis dahin wird er rund um die Uhr von Sicherheitskräften bewacht und streng abgeschirmt. Nur seinen engsten Angehörigen und seinem Anwalt wird der Zutritt erlaubt.
Eine hohe juristische Bedeutung in dem Verfahren spielt die Frage nach der Schuldfähigkeit von Georg R. Er befand sich wegen Wahrnehmungsstörungen bereits seit längerer Zeit in psychotherapeutischer Behandlung. Wie tief seine seelischen Deformierungen am Tag der Tat (17. September) ausgeprägt waren, soll im Auftrag der Ansbacher Staatsanwaltschaft ein psychiatrischer Gutachter aus Würzburg herausfinden. Ist dieser Experte in der Lage, das beharrliche Schweigen des Schülers zu brechen? Mit den Untersuchungen soll nach Informationen im November begonnen werden. Bis dahin könnte die ärztliche Nachversorgung der Schussverletzungen abgeschlossen sein.
War Georg R. überhaupt schuldfähig?
Gedämpftes Aufatmen herrscht bei den Familien der beiden Mädchen, die von Georg R. lebensgefährlich verletzt worden waren. Beide konnten die Klinik inzwischen wieder verlassen. Das Ende des Leidenswegs bedeutet dies für die Schülerinnen aber noch nicht.
Mareike (15) war von Georg R. mit einer Axt am Kopf getroffen worden und erlitt dadurch ein offenes Schädel-Hirn-Trauma. Zunächst hegten die Ärzte die Befürchtung, dass das Mädchen bleibende Schäden zurückbehalten könnte. Doch danach sieht es inzwischen nicht mehr aus, hieß es aus Kreisen der Klinik. Trotzdem wird Mareike weitere Eingriffe über sich ergehen lassen müssen.
Auch bei ihrer Klassenkameradin Annika, die am Samstag ihren 16. Geburtstag feiert, ist eine langwierige Nachbehandlung erforderlich. Ein von Georg R. geworfener Molotow-Cocktail war direkt vor ihr explodiert und hatte schwere Verbrennungen im Gesicht und am Oberkörper verursacht. Ihr stehen noch mehrere Hauttransplantationen bevor. Völlig offen dagegen ist, ob die Mädchen die traumatischen Erlebnisse psychisch verarbeiten können.
Helmut Reister