Den Oberbürgermeister zum Tanzen nötigen

Die Choreographin Jutta Czurda und das Fürther Stadttheater starten das Mitmach-Projekt „Brückenbau“.
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Die Säulen im Fürther Kulturforum werden definitiv nicht aufgefordert zum Tanzen, alle anderen schon: Montagabend startet Jutta Czurda ihr Projekt, das durch Bewegung Begegnung ermöglichen will.
Berny Meyer Die Säulen im Fürther Kulturforum werden definitiv nicht aufgefordert zum Tanzen, alle anderen schon: Montagabend startet Jutta Czurda ihr Projekt, das durch Bewegung Begegnung ermöglichen will.

NÜRNBERG - Die Choreographin Jutta Czurda und das Fürther Stadttheater starten das Mitmach-Projekt „Brückenbau“.

So handfest und wörtlich war dieser „Brückenbau“ dann doch nicht gedacht: Beim Fürther Bauamt, berichtet Jutta Czurda kichernd, war eine Anfrage nach den Semester-Werkstätten gelandet, mit denen das Stadttheater ab dieser Spielzeit Menschen ködern will, die der Kultur bislang unverdächtig sind, sich „nicht in unserem Blickfeld bewegen“. „Community-Projekt“ nennt Bauleiterin Jutta Czurda, das One-Woman-Ensemble in Werner Müllers Haus, das Experiment, das zu Schauspiel, Schreiben, Gesang und Tanz verleiten möchte.

Vier Pfeiler sollen die Brücke und die Idee bis in die nächste Spielzeit tragen. Neben den Semester-Werkstätten, um die sich unter dem Reizwort „Berichte von Unsichtbaren“ Schauspielerin Michaela Domes, Chor-Spezialistin Ingeborg Schiffarth, Hausautor Ewald Arenz („Petticoat & Schickedance“) und Jutta Czurda (für den Tanz) kümmern, sollen Workshops zu den einzelnen Inszenierungen, Theaterprojekte als Ergebnis der Werkstätten-Recherche und der „Community-Dance“ Tragkraft entwickeln. Ab 21. September wird dieser Pfeiler im Kulturforum von Czurda errichtet, jede Woche neu, für eine Stunde von 19 bis 20 Uhr. Eine Aufforderung an alle, Begegnung durch Bewegung zu erreichen. Und selbst der durchaus angsteinflößende Hinweis auf komplette Talentlosigkeit nützt nichts in diesem Fall. Musste auch Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung erfahren. Der outete sich abwehrend als Bewegungstrottel und wurde von Jutta Czurda prompt als zielgruppenkompatibel erkannt. Nun tanzt Jung zur Premiere an. Pech gehabt.

Beim internationalen Tanzprojekt „Mayim Mayim“ 2008 war Jutta Czurda klar geworden, „was zu bewegen ist, wenn Theater rausgeht in die Stadt“. Ums Absenken von Angstschwellen und das Herausfiltern von neuen Arbeitsformen („Ich muss mich doch auch ein Stück neu erfinden“) geht es Czurda bei ihrem „Brückenbau“ auch: „Die Sozialkitschecke meine ich nicht“, betont sie. Ihr geht’s um Radiuserweiterung und „Voneinanderlernen“. Und weil das Ganze unterm Theaterdach stattfindet, weist sie auch den Verdacht der Volkshochschule weit von sich.

Der Montagstanz soll denn auch nicht Fitnesstraining oder „Casting für Schwanensee“ sein, sondern fußläufig „Raum für Begegnungen“ schaffen, „sensibilisieren für die Mittel des Theaters“, durch Gespräche „Reflexionshilfen an die Hand geben“. Nicht wie sich Menschen bewegen, steht im Vordergrund, sondern was sie bewegt. Erst recht in den Semester-Werkstätten, von denen man sich neue Sichtweisen auf Produktionen erhofft. Die Rückkehr des Volksteaters? „Das soll kein „,Rimini Protokoll’ oder ,Rhythm is it!’ sein, aber ein Gucken nach neuen Begegnungsformen.“ Auch wenn sie „immer Berührung und Nähe“ in ihrer Arbeit suche, die vierte Wand zum Parkett sei eben schwer zu durchbrechen. Da müssten dann eben Brücken her oder Laufstege.

Dass die Idee auch scheitern kann, schreckt die Choreographin, Schauspielerin und Sängerin mit im Off-Theater gewonnener Überlebenstaktik nicht: „Es ist gut möglich, dass ich bei dem Projekt noch mit den Ohren schlackere. Aber man muss immer erst mal einen Stein ins Wasser werfen.“

Ins Leere läuft das Angebot offenbar nicht. In Talent-Werkstätten, bei denen man ab 5. Oktober „seine Künstler hautnah kennen lernen“ kann, drängeln die Brückenbau-Azubis schon. Womöglich sind ja auch Bürger dabei, die eigentlich nur zum Bauamt wollten.

Andreas Radlmaier

www.stadttheater.de

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