„Davor hatten wir schon immer Angst“
Waltraud Kucke geht zweimal täglich an der Bahnlinie spazieren. Mulmiges Gefühl ließ sie nie los – und ist jetzt noch stärker geworden. Anwohner fordern schon lange einen Schutzwall
NÜRNBERG Der Schreck steckt den Anwohnern in Schweinau noch in den Knochen. Am Freitagnachmittag entgleiste vor ihren Hautüren in dem Wohnviertel, das zwischen Bahnlinie und Südwesttangente eingezwängt ist, ein Güterzug. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt, als mehrere Waggons auf einen beliebten Spazierweg kippten (AZ berichtete).
„Seit zwölf Jahren gehe ich hier zweimal täglich mit meiner Cindy Gassi“, sagt Waltraud Kucke (67) aus dem Olivenweg. „Wären wir am Freitagnachmittag spazieren gewesen...“, sagt sie und schüttelt nachdenklich den Kopf.
Während die Hündin sich nicht an den vorbeibrausenden Güterzügen stört, „hatten wir schon immer Angst, dass mal was passieren könnte!“, erzählt die 67-Jährige. Dutzende Beschwerde- und Bittbriefe an Bahn und Politiker haben sie und ihr Mann schon geschrieben. „Aber da kam nie was zurück“, sagt sie traurig.
Frust im Viertel: "Mir laufen die Mieter weg"
Doch nicht nur die Gefahr, die von den Güterzügen ausgeht, sorgt für Zündstoff in der Siedlung. „Seit einigen Jahren nimmt der Verkehr zu, die Züge fahren schneller als früher und sind um einiges lauter geworden“, so Kucke. Diesen Eindruck bestätigt auch Sandra Floßmann (34): „Sogar meinem 14-jährigen Sohn ist das schon aufgefallen! Ganz schlimm wird es, wenn die Güterzüge bremsen müssen. Das ist ein Gequietsche und Gekreische, das können Sie sich gar nicht vorstellen!“
Quasi in zweiter Reihe, in der Zedernstraße, wohnt Hannelore Eisenstein (60). Auch hier ist der Frust groß – auch hier hat man den Eindruck, dass mehr und lautere Züge als früher unterwegs sind. „Gäste muss ich inzwischen in Hotels unterbringen“, sagt sie. „Die können bei uns einfach nicht schlafen.“ Das Fenster nachts kippen? „Können Sie vergessen – geht nicht mehr“, sagt auch Horst Friedrich (70).
Besonders hart trifft es den 62-jährigen Max Stühler. Vor über 30 Jahren kaufte er ein Grundstück, das direkt an den Bahndamm grenzt. „Es wäre ja lächerlich, jetzt plötzlich zu sagen, die Bahnlinie stört uns“, sagt er. „Das wussten wir schließlich von Anfang an. Aber diese massive Zunahme an Verkehr und der dadurch entstehende Lärm sind schier nicht auszuhalten.“ Sein Doppelhaus, das er hier baute, sollte ihm zur Hälte als Ruhesitz, zur anderen Hälfte als Altersvorsorge dienen. „Aber mir laufen die Mieter weg! Denen ist es einfach zu laut.“
"Ein Lärmschutzwall muss her"
Gemein findet er, dass die Bahn nicht reagiert. Schon lange fordern die Anwohner einen Schutzwall: „Schließlich wird, wenn mehr Züge fahren, auch mehr Geld verdient. Da kann man doch in den Schutz der Anwohner investieren!“
Seine Nachbarin Regina Feser (71) ist mit den Nerven inzwischen am Ende: „Es wird immer schlimmer. Im Sommer mal die Balkontür offen lassen oder mit offenem Fenster schlafen, ist inzwischen unmöglich geworden.“
Wegziehen, da sind sich die meisten Anwohner allerdings einig, möchten sie nicht. Zu sehr ans Herz gewachsen ist ihnen ihr Viertel unterm Fernsehturm. Einig sind sie sich aber auch: Ein Lärmschutzwall muss her!
Das übrigens befand wohl auch der heutige Gesundheitsminister Markus Söder. „Der war vor etwa zehn Jahren mal hier und versprach, sich darum zu kümmern“, erinnert sich Waltraud Kucke. „Wahrscheinlich war gerade Wahlkampf“, fügt sie hinzu.
Denn passiert ist bislang bekanntlich nichts... Kathrin Esberger
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