Das ist Frankens tapferste Mutter
Ihr Sohn Ilias liegt schon seit 23 Jahren nach einem Mofa-Unfall im Koma - Sieglinde Markfort opfert sich für ihn auf
OBERASBACH Die wahren Helden des Alltags wirken oft im Verborgenen. Sieglinde Markfort aus Oberasbach (Kreis Fürth) ist so ein Held. Angetrieben von ihrer unendlichen Mutterliebe pflegt sie mit Hingabe ihren im Koma liegenden Sohn – seit nunmehr 23 langen, langen Jahren.
Wie oft sie in dieser Zeit verzweifelt war, wie oft es schien, dass sie am Ende ihrer Kräfte angelangt ist, wie oft sie im Tränenmeer versank, hat Sieglinde Markfort nicht gezählt. „Manchmal denkt man, dass es einfach nicht mehr weitergeht. Aber Ilias braucht mich ja. Er ist auf mich vollkommen angewiesen“, beschreibt sie ihren emotionalen Zick-Zack-Kurs zwischen Hoffnung und Niedergeschlagenheit.
"Urlaub kenne ich nicht"
Hinter ihrem kleinen Friseurladen, den Sieglinde Markfort in Oberasbach betreibt, hat sie ein behindertengerechtes Zimmer eingerichtet, damit sie immer in der Nähe von Ilias (38) ist. Auch sonst ist ihr Leben komplett auf die schwierige Situation abgestimmt. Das geht bis zur Selbstaufgabe. Sieglinde Markfort: „Urlaub kenne ich nicht. Wer soll sich denn in dieser Zeit um meinen Sohn kümmern?“
April 1986: Die ersten warmen Tage des Jahres locken auch Ilias ins Freie. Mit seinen Kumpels hat sich der 15-jährige Schüler auf dem Fußballplatz verabredet. Daheim steigt er auf sein Mofa und fährt los. Am Fußballplatz wird Ilias nie ankommen. Eine Kreuzung gleich in der Nähe seines Elternhauses wird ihm zum Verhängnis. Er stößt frontal mit einem Auto zusammen, wird lebensgefährlich verletzt. Vor dem Tod können ihn die Ärzte letztendlich retten, aber Ilias liegt in einem Wachkoma, aus dem er nach menschlichem Ermessen nie mehr aufwachen wird.
Der Tag des Unfalls stellt das bis dahin geordnete Leben der ganzen Familie auf den Kopf. Der Vater von Ilias kommt mit der Situation nicht zurecht – und verlässt die Familie. Die ganze Last liegt nun allein auf den Schultern von Sieglinde Markfort. Für sie steht aber außer Frage, dass Ilias nicht in einem anonymen Pflegeheim vor sich hindämmern soll. Sie holt ihn zu sich.
Jeder Cent wird zwei Mal umgedreht
Zur Sicherung ihrer Existenz bleibt der Friseurin nichts anderes übrig, als zweigleisig zu fahren und alles unter einen Hut zu bringen: die intensive Betreuung von Ilias und ihren Job. Die Diakoniestation kümmert sich tagsüber um die Routinepflege des jungen Mannes. Abends und an den Wochenenden übernimmt das die Mutter. „Ich stehe mindestens dreimal in der Nacht auf, um nach Ilias zu sehen und ihn umzubetten, damit er nicht wund liegt“, schildert Sieglinde Markfort einen ganz normalen Tag.
Durch die hohen Kosten für die Pflege ihres Sohnes muss die Mutter jeden Cent zweimal umdrehen. „Die Krankenversicherung kommt wirklichnur für die allernotwendigsten Kosten auf. Das ist zu viel zum Sterben, aber es bleibt kein Spielraum für die kleinste Annehmlichkeit“, erzählt die vom Schicksal gebeutelte Mutter. Noch hat sie die Kraft und hält durch. „Aber manchmal stelle ich mir doch die Frage, wie lange ich das alles noch aushalten kann“, sagt Sieglinde Markfort.
Helmut Reister