Das Gold von Gütting
Das wertvolle Edelmetall wird durch die Finanzkrise immer knapper: Jetzt lässt eine Firma in der Oberpfalz danach graben. Ob es sich lohnt, steht im Dezember fest. Falls ja, rollen die Bagger erst richtig los.
Die Goldgräber des 21.Jahrhunderts tragen Designer-Jacken und schicke weiße Helme. Titus Gebel und Thomas Gutschlag sehen eigentlich aus wie zwei Banker. Heute graben sie nach Gold – vielmehr: Sie lassen graben, in einem Waldstück in der Oberpfalz. Die Schaufel eines Baggers gräbt sich tief in den Boden. Er riecht nach Erde. „Zwei bis drei Gramm sind interessant für uns“, sagt Gebel. Zwei bis drei Gramm Gold (im Wert von etwa 55Euro) – pro Tonne Erde.
Vom Beginn des 14.Jahrhunderts an bis etwa 1700 schürften hier, in Gütting an der tschechischen Grenze, hunderte Menschen nach Gold. Die Schurfgräben, die sie hinterlassen haben, sind heute noch zu sehen.
Bislang suchte nur ein Hobby-Schürfer
Doch ansonsten sind die Goldgräberzeiten völlig in Vergessenheit geraten. Außer dem Hobby-Schürfer Karl Ochantel, der hier ab und zu mal ein paar Flitter Gold aus dem Bach holt, interessierte sich keiner mehr für das Gold von Gütting. Bis jetzt.
An 25 Stellen im Wald haben Gebel und Gutschlag rote Pflöcke in den Boden rammen lassen. Für Probebohrungen. Finden die Mitarbeiter hier mindestens zwei Gramm Gold pro Tonne Erde, will die „Deutsche Rohstoff AG“ – so heißt die Firma von Gebel und Gutschlag – hier im ganz großen Stil Gold fördern. Sie können für ihre Grabungen keinen besseren Zeitpunkt wählen: Während Banken kollabieren und die Aktienkurse weltweit in den Keller rauschen, ist das gute alte Gold der Inbegriff von Sicherheit vor der Krise.
Gold gegen die Krise
In dieser Woche stürmen immer mehr Bürger in ihre Banken, wollen Gold kaufen. Gold gegen die Krise. Das Resultat: Der Goldpreis hat sich in den vergangenen zwölf Monaten um 30 Prozent verteuert – der Deutsche Aktienindex DAX stürzte in der gleichen Zeit um 30 Prozent ab. Und: Gold ist knapp geworden.
Man kann das Edelmetall zwar bestellen – nur mit der Lieferung dauert’s. „Wir wissen, dass Gold in schwierigen Zeiten als Wertsicherungsmittel genutzt wird. Und das macht es so wertvoll“, sagt Gutschlag.
"Wir rechnen nicht mit großen Nuggets"
„Wir rechnen nicht mit großen Gold-Nuggets“, sagt Thomas Krassmann, der als Geologe die Ausgrabung für die Rohstoff AG leitet. Die Goldgräber wollen vor allem eines verhindern: dass in Bayern der Goldrausch ausbricht. Dass plötzlich tausende Schürfer in die Oberpfalz kommen. Gierig nach Gold.
Von einer Gold-Romantik ist an seiner Ausgrabungsstätte im übrigen nicht viel zu spüren. Goldgraben im 21.Jahrhunderts ist eine hochernste und streng durchorganisierte Angelegenheit. Der Baggerfahrer hebt Meter für Meter die Erde aus. Pro Meter „Teufe“ – so nennt man im Bergmann-Deutsch die Tiefe – wird eine Probe entnommen.
Derzeit werden erste Proben entnommen
Gebaggert wird, bis die Schaufel unten auf harten Grund stößt. „Wir vermuten, dass das Gold eher in der feinen Formation der Erde ist“, sagt Krassmann. Deshalb siebt ein anderer Geologe die Probe, die mit einer Schaufel aus der Erde entnommen wird, noch einmal aus. Die Erde, die untersucht werden soll, wird in eine Kuchenform gegeben, dann in mehrere „Kuchenstücke“ geteilt. Drei Proben in Säckchen à 200 Gramm werden so pro Meter Tiefe entnommen. Wenn die Grabungen fertig sind, vermutlich in zwei Wochen, gehen die Proben in Labore nach Kanada und Goslar. Ein dritter Satz bleibt bei der Rohstoff AG. Alles fein säuberlich beschriftet, versteht sich.
Die Goldgräber wollen ein neutrales Urteil über ihren Boden. Auch keinen „Nugget-Effekt“ – so nennt man in der Branche die Euphorie, wenn mal zufällig ein größeres Stück Gold gefunden wird.
"Der Rohstoff-Boom hält noch 15 Jahre"
„Die Nachfrage von Ländern wie China, Indien oder Brasilien nach Rohstoffen hat angezogen“, sagt Rohstoff-Manager Gutschlag. Und gerade deshalb hat er 2006 zusammen mit seinem Kompagnon Gebel die Rohstoff AG gegründet. Die beiden sind sich sicher: Der Rohstoff-Boom dauert mindestens noch 15 Jahre. Und deshalb lassen sie nicht nur nach Gold buddeln. Die beiden haben sich die Lizenzen für die Förderung von Zinn, Wolfram, Kupfer und Zink gesichert. Gesucht wird: in Deutschland!
In früheren Jahrzehnten war die Förderung von Industrie- und Edelmetallen zu teuer. Die hohen Rohstoffpreise ändern das jetzt. Die drohende Abhängigkeit von russischen oder chinesischen Rohstoffen ist mittlerweile jedem bewusst. Akribisch recherchieren Gutschlag und Gebel alte Rohstoff-Karten und suchen weiter nach Regionen mit Potenzial.
Superzyklus und Rohstoffhunger
Gutschlag redet gerne in Begriffen wie „Superzyklus“ und „Rohstoffhunger“. Er kennt sich aus in der Finanzbranche – weil er selbst einmal als Finanzberater gearbeitet hat. Wie viel Umsatz er macht, will er nicht verraten. Auch nicht, welches Wachstum seine AG hat.
An die Börse soll die Rohstoff AG schon, nur nicht jetzt, weil die Zeiten so turbulent sind. Dass die Rohstoff-Buddler Erfolg haben werden, davon ist auch der Chemie-Riese BASF überzeugt. In diesem Jahr beteiligte sich der Konzern an der Rohstoff AG.
Viel lieber geben sich die Rohstoff-Manager als Wohltäter für die Region. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn hier wirklich Geld gefördert werden könnte! Arbeitsplätze würden entstehen – in der Förderung und in Zulieferer-Betrieben. Und dann erst der Tourismus! Tausende würden in die strukturschwache Region kommen, um das Gold von Gütting zu sehen.
Oberviechtach soll eine Entschädigung bekommen
Im Dezember 2007 hat sich die Rohstoff AG die „Aufsuchungsgenehmigung“ für Gold vom Wirtschaftsministerium geben lassen. Sollte Gold gefunden werden, soll die Stadt Oberviechtach, der der Gold-Wald gehört, eine großzügige Entschädigung erhalten. Denn das Recht sieht so aus: Wer ein Stück Land besitzt, in dessen Boden Gold vorkommt, ist nicht automatisch der Besitzer.
Dafür benötigt man die „Aufsuchungsgenehmigung“. In der Hoffnung auf Gold-Geld hat die Stadtverwaltung den Wald für die Probe-Ausgrabungen schon mal ein wenig aufgeräumt und Bäume gefällt, die im Weg waren. Das Risiko eines Scheiterns will die Stadt lieber der Rohstoff AG überlassen.
Jetzt warten alle auf Dezember
Bis Dezember sollen die Ergebnisse aus den Laboren vorliegen. Dann entscheidet sich, ob es jemals gehoben wird – das Gold von Gütting.
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