Das bizarre Leben der Denise R.
Ein spektakulärer Mordprozess geht dem Ende zu: Ein Psycho-Experte beleuchtete dunkle Schatten in der Vergangenheit der 28-jährigen Angeklagten. Der Gutachter hält die Erlangerin für voll schuldfähig
NÜRNBERG Eiskalte Mörderin oder selbst eine tragische Figur? Diese Frage konnte nicht einmal der Psycho-Experte Michael Wörthmüller beantworten. Er begutachtete Denise R. (28). Jene Frau, die sich vor dem Nürnberger Landgericht verantworten muss, weil sie ihre Freundin Jessica erstochen haben soll. Nur in einem Punkt war sich der Psychiater sicher: Sie ist voll schuldfähig.
Nach außen hin wirkt Denise R. selbstbewusst, kontrolliert, gelassen. Doch wie es wirklich in ihrer Seele aussieht, behält sie für sich. Dafür sprach sie freimütig über ihr Leben – und enthüllte dabei bizarre Details. Zum Beispiel, dass sie als kleines Mädchen sexuell missbraucht worden ist. Immer wieder kehrt dieses schlimme Erlebnis in Albträumen zurück. Oft leidet sie unter Angstzuständen, ist emotional unausgeglichen.
Noch etwas ist dem Psychiater aufgefallen. Denise R. zeigte sich stets gut gelaunt. Selbst im Gefängnis, wo man so etwas nicht erwarten würde. Zur AZ sagte Wörthmüller: „Sie ist gut im Aushalten von Extremsituationen. Das hat sie im Leben gelernt.“
Welche merkwürdige Rolle spielt Denise' Verlobter?
Trotz des Missbrauchstraumas versuchte Denise, die Starke in der Familie zu sein. Ihren leiblichen Vater lernte sie nie kennen. Dafür musste sie schon als Mädchen die Mutterrolle für ihre beiden jüngeren Halbbrüder übernehmen. Sie selbst blieb auf der Strecke, stolperte mehr schlecht als recht durchs Leben. Beziehungen zu Männern waren problematisch – und von Gewalt geprägt.
In den letzten zehn Jahren war Denise R. mehrmals in psychologischer Behandlung, nahm Antidepressiva. Doch wirklich helfen konnte der labilen Frau niemand. Sie ritzte sich oft die Arme auf, nahm Drogen – und versuchte mehrere Male, sich umzubringen. Das letzte Mal wenige Wochen vor dem Mord an Jessica.
Ein merkwürdiges Licht fiel in diesem Zusammenhang auf ihren Verlobten, der wegen Verdachts der Falschaussage ohnehin schon in U-Haft sitzt. Nicht nur Wörthmüller hat den Eindruck, dass der aus Persien stammende Mann bei diesem Suizidversuch seine Hand im Spiel hatte. Thomas Skapczyk, Anwalt des Nebenklägers zur AZ: „Bevor damals der Notarzt kam, entfernte er das Messer, reinigte es von Blut und Fingerabdrücken. Wer macht denn sowas?“
Der Prozess geht voraussichtlich am Donnerstag zu Ende. Dann steht fest, ob Denise R. tatsächlich ihre Freundin Jessica ermordete.M. Pfefferer
- Themen:
- Mörder