Das Auge Nürnbergs ist tot
NÜRNBERG Es war ein Auftrag, der ihn berühmt machte. Ray D’Addario, Fotograf der US-Armee, begleitete mit seiner Kamera die Nürnberger Prozesse gegen die Nazi-Kriegsverbrecher – und dokumentierte damit ein Stück Weltgeschichte. Jetzt ist der kleine, rundliche Mann tot. Er starb vor zwei Wochen im Alter von 90 Jahren in seiner Heimatgemeinde Holyoke (Massachusetts) an den Folgen eines Schlaganfalls.
Seine einmaligen Aufnahmen von Hermann Göring, Rudolf Heß und Co. finden sich in zahllosen Geschichtsbüchern, wurden für zeitgeschichtliche Dokumentationen gebraucht, sind das Grundgerüst für das Museum „Memorium Nürnberger Prozesse”. An der Eröffnung der Dauerausstellung im Justizgebäude im November letzten Jahres hätte Ray D’Addario nur allzu gerne teilgenommen. Doch dazu war der halbseitig gelähmte Mann einfach nicht mehr in der Lage. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er als Pflegefall in einem Heim.
Bilddokumente lagern im Stadtarchiv
Nürnberg verdankt dem Amerikaner außerdem tausende Fotos, die gleichermaßen beeindruckend wie bedrückend sind. Sie zeigen die im Krieg zerstörte Stadt als Trümmerwüste. Ray D’Addario hat die Aufnahmen in seiner Freizeit gemacht. Von seiner Mutter ließ er sich damals Farbfilme schicken, die in Deutschland nicht erhältlich waren. Das macht die Bilddokumente noch wertvoller. Sie lagern gut behütet im klimatisierten Archiv des Stadtarchivs. Ray D’Addario hat die Fotos in den 90er Jahren an die Stadt Nürnberg verkauft. Die 50.000 Dollar, die er dafür verlangte, waren eher ein Spottpreis.
Ray D’Addario, der in Franken auch seine Frau kennenlernte, verlor nie seine Bindung zu Nürnberg. Mehrfach besuchte er in den 80er und 90er Jahren die Stadt. Und immer gehörte ein Besuch des Sitzungssaales 600, wo er die Nazi-Größen abgelichtet hatte, zum festen Programm.
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