Dachau-Killer: Seit Jahren Hass auf die Justiz
Rudolf U. führte immer wieder Prozesse
Dachau - Eigentlich war er fein raus. Die Strafe war klar, schon vor Wochen schon ausgehandelt: Ein Jahr auf Bewährung, 1000 Euro Strafe – und die Sache war für alle erledigt.
Nur nicht für Rudolf U.
Am Mittwoch kurz nach 16 Uhr greift der 54-Jährige im Saal C des Dachauer Amtsgericht in seine Hosentasche, zieht seine FN Baby Browning und schießt – zwei Mal auf den Richter Lukas N., drei Mal auf Staatsanwalt Tilman Turck, der später stirbt.
Gestern wurde der ehemalige Transportunternehmer aus Karlsfeld dem Haftrichter vorgeführt, die Staatsanwaltschaft München II stellte Haftantrag wegen Mordes. Sie beantragte auch, dass Rudolf U. von Psychiatern untersucht wird. Laut Oberstaatsanwältin Andrea Titz ist das Routine bei Kapitalverbrechen.
Tatsächlich wirkt der Mord am jungen Staatsanwalt wie Wahnsinn: So eine milde Strafe und doch so eine Wut. Wie passt das zusammen?
Rudolf U. könnte eine Antwort geben, schweigt aber bislang. Freunde und ehemalige Angestellte jedoch wissen, warum er schoss. Er tat es aus Hass auf die Justiz.
Peter U. kennt den Täter seit 15 Jahren. „Der Rudi war eigentlich ein Netter, so umgänglich“, sagt er. „Er hat als Erstes immer einen Witz erzählt. Aber die vielen Schicksalsschläge und sein Pech vor Gericht brachten ihn dazu, das zu tun, was er getan hat.“
Schon vor rund zehn Jahren habe Rudolf U. bei einem Bagatellstreit um einen falsch eingebauten Motor in einem Lastwagen seiner Spedition in Karlsfeld vor Gericht verloren, sagt der Spezl. In den Jahren danach habe er viele andere Prozessen verloren, erzählt der Karlsfelder. „Der Rudi wurde immer stinkiger auf die Richter, er hat sich richtig verbissen. Er hat immer gedacht, er hat Recht. Er hat immer weiter gemacht, ging durch alle Instanzen.“
Derweil lief das Geschäft mit dem Transportunternehmen immer schlechter, „die Aufträge wurden immer weniger“, sagt Peter U.
Im Herbst 2008 verlor Rudolf U. seine Firma – und etwa ein halbes Jahr später auch seine Gesundheit. Nach einem Schlaganfall zog er von seiner Wohnung in der Allacher Straße in ein Pflegeheim nach Dachau. Vor etwa sechs Monaten zog er laut Peter U. in die Gemeinde Bergkirchen südwestlich von Dachau.
Ein Verlierer, der nicht mehr verlieren wollte, ein Mann, der oft Unrecht bekam und sich nur noch im Unrecht wähnte – so sieht auch Manfred J. (52) den Todesschützen von Dachau. Der arbeitete 2007 bis 2008 drei Monate lang bei Rudolf U. in der Spedition als Fahrer. Als ihm der Chef 3800 Euro Lohn vorenthielt, verklagte er ihn. Im September 2008 trafen sie sich vor dem Münchner Arbeitsgericht. „Er vertrat sich selbst, hatte die Unterlagen in einer Mülltüte dabei“, sagt J. „Er war wie eine tickende Zeitbombe, fiel der Richterin ständig ins Wort. Da hat sie ihn ziemlich zurechtgestutzt.“ Und: Sie gab Manfred J. Recht. „Rudolf U. hat überhaupt nicht gern verloren. Er war uneinsichtig und nur auf sich selbst bezogen. Er pochte immer auf sein Recht – auch in der Firma.“
Als J. von den Schüssen in Dachau hörte, sei er nicht überrascht gewesen: „Diese Tat war abzusehen.“
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