Club in den Fängen der Wettmafia?

2:0 gegen Osnabrück soll manipuliert gewesen sein. FCN-Boss Schäfer: „Sind aus eigener Kraft aufgestiegen.“ 200 Fälle im Betrugsskandal. Spur führt zu den Drahtziehern der Hoyzer-Affäre
von  Abendzeitung
Club gegen Osnabrück, 13. Mai 2009: „Phantom“ Marek Mintal erhöht auf 2:0. Auf das Ergebnis hatte einer der jetzt Festgenommenen gewettet.
Club gegen Osnabrück, 13. Mai 2009: „Phantom“ Marek Mintal erhöht auf 2:0. Auf das Ergebnis hatte einer der jetzt Festgenommenen gewettet. © bayernpress

2:0 gegen Osnabrück soll manipuliert gewesen sein. FCN-Boss Schäfer: „Sind aus eigener Kraft aufgestiegen.“ 200 Fälle im Betrugsskandal. Spur führt zu den Drahtziehern der Hoyzer-Affäre

NÜRNBERG/BOCHUM Europas Fußball wird vom größten Wettskandal seiner Geschichte erschüttert! Eine Wett-Mafia hat in diesem Jahr mindestens 200 Spiele manipuliert, davon 32 in Deutschland. Und eines auch mit Beteiligung des 1.FC Nürnberg . . .

Es ist der 13. Mai 2009, der 32. Spieltag. Der Club steht mitten im Aufstiegsrennen der zweiten Liga. Gegner an diesem Mittwochabend ist der abstiegsbedrohte VfL Osnabrück. Marek Mintal erlöst die 33500 FCN-Anhänger im easyCredit-Stadion mit seinem zweiten entscheidenden Treffer zum 2:0 nach schier endlosen 86 Minuten. Weil die Osnabrücker genau dieses Ergebnis wollten?

Bader: "So ein Ding kannst du nicht absichtlich drehen"

Jedenfalls war von einem inzwischen verhafteten 34-Jährigen aus Lohne eine hohe Wette auf genau diese Tordifferenz platziert worden. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Bochum kann dem Zocker einen direkten Kontakt mit mindestens einem VfL-Spieler bereits nachweisen.

Beim Club, der letztlich über die Relegation den Sprung ins Oberhaus feiern durfte, ist man alles andere als beunruhigt. „Das 2:0 entsprang aus einer unübersichtlichen Situation, einem Gewühl“, erinnert sich Manager Martin Bader. „So ein Ding kannst du nicht absichtlich drehen! Ich hatte eher den Eindruck, Osnabrück wehrt sich mit allen Mitteln gegen eine Niederlage.“ Präsident Franz Schäfer: „Wir sind aus eigener Kraft aufgestiegen!“ Die Osnabrücker scheinbar mit dem selben Elan abgestiegen...

Zu der Bande der Zocker gehören 200 Tatverdächtige. Zwei von ihnen sind alte Bekannte: die in Deutschland lebenden Kroaten Ante und Milan Sapina. Sie sitzen seit Donnerstag in Haft. Die Brüder waren vor fünf Jahren in den Skandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer verwickelt. Beide wurden später verurteilt, Ante Sapina musste – wie Hoyzer – ins Gefängnis (siehe unten).

Auch in Nürnberg wurden verdächtige Objekte untersucht

Wieder war es die blanke Gier, die die Täter antrieb: Nach Schätzungen von Experten beim Fußball-Weltverband Fifa zocken Kriminelle weltweit bis zu 270 Milliarden Euro mit illegalen Wetten ab. Die Deutschen verspielen jährlich eine Milliarde mit Sportwetten.

Die Ermittler waren den Tätern auf die Spur gekommen, als sie in einem anderen Manipulationsverfahren Telefonate von Verdächtigen abhörten. Wie die Staatsanwaltschaft Bochum nun mitteilt, wurde über zu manipulierende Spiele und auch Summen, mit denen Trainer, Spieler und Schiedsrichter bestochen werden sollten, gesprochen.

Am Donnerstag schlugen die Behörden zu. 300 Beamte führten über 50 Durchsuchungen in Deutschland (Berlin, Nürnberg, Ruhrgebiet), der Schweiz, Österreich und Großbritannien durch: 17 Festnahmen, darunter ein Landesliga-Spieler der Kickers Würzburg. Außerdem stellten die Fahnder einen Teil der Beute sicher: eine Million Euro. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die tatsächlichen Volumina liegen viel höher“, unkt ein Ermittler.

In Deutschland wurden vier Spiele der 2. Bundesliga, drei Spiele der 3. Liga, 18 Regionalliga-Partien, fünf Oberliga-Spiele sowie zwei U19-Spiele manipuliert. Die Bande beeinflusste auch Spiele in der Türkei, Belgien, der Schweiz, Kroatien, Österreich und Ungarn – teilweise Erstliga–Partien. Auch drei Champions-League- und zwölf Uefa-Cup-Begegnungen sollen betroffen sein.

Ermittler schätzen die Trefferquote der Wett-Mafia auf 50 Prozent

Das System der Wettmafia: Die Chefs kontaktieren Trainer, Spieler, Funktionäre und Schiedsrichter, lockten mit einfach und schnell verdientem Geld, nutzten die Gier Dritter.

Nicht nur auf Ergebnisse kann gesetzt werden. Mittlerweile hat das Wettgeschäft die irrsten Auswüchse. Beispiel: Wann bekommt welches Team einen Freistoß oder eine Ecke? Kein Problem für einen geschmierten Kicker. Die Kriminellen setzten in asiatischen und europäischen Wettbüros hohe Summen. Der Plan ging nicht immer auf. Die Ermittler schätzen die Trefferquote auf 50 Prozent. Ein Geschäft, das sich offensichtlich dennoch lohnte.

„Das ist zweifellos der größte Betrugsskandal, den es im europäischen Fußball jemals gegeben hat“, sagt Peter Limacher von der Uefa. „Wir sind zutiefst betroffen.“ Die Uefa hatte bei den Ermittlungen mit den Fahndern zusammengearbeitet, will jetzt dafür sorgen, dass verwickelte Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre bestraft werden. Hoffentlich!Markus Löser,

Volker ter Haseborg

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