Chaotische Energie als Treibstoff

Das Nürnberger Künstlerhaus feiert am kommenden Wochenende seine stets sehr bewegte 100-jährige Geschichte
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100 Jahre alt: das Nürnberger Künstlerhaus
Künstlerhaus 100 Jahre alt: das Nürnberger Künstlerhaus

NÜRNBERG - Das Nürnberger Künstlerhaus feiert am kommenden Wochenende seine stets sehr bewegte 100-jährige Geschichte

Künstlerhaus... Immer, wenn das Mädchen das Silberbesteck in Händen hielt, das ihr Onkel gebraucht erstanden hatte, wunderte es sich über die Gravur. Es fragte sich, was wohl ein Künstlerhaus ist. Ob dort nur Künstler hausten? Womöglich gezwungenermaßen. Ihre Phantasie trieb Blüten. Das Künstlerhaus beschäftigt das Mädchen von damals heute noch. Als Kulturreferentin ist Julia Lehner inzwischen Chefin der Nürnberger Einrichtung, die am kommenden Wochenende mit einem umfangreichen Programm seine bewegte 100-jährige Geschichte feiert.

Besagtes Besteck stammte aus den Anfangszeiten des Künstlerhauses, als der am 3. Juli 1910 eröffnete Bau am Königstor Ausstellungsort und Begegnungsstätte für Künstler war. Und was wurde seither dort nicht alles gezeigt: anfangs Werke aus der städtischen Kunstsammlung, 1935 das, was als „entartete Kunst“ verteufelt wurde von den herrschenden Nationalsozialisten, die das Haus schließlich zum SA-Heim umfunktionierten. Was nach dem Krieg davon blieb, nutzten die amerikanischen Streitkräfte zehn Jahre lang als „Americana Club“.

Danach zog langsam wieder die Kunst ein. Auch wenn mancher 1968 noch Schwierigkeiten hatte, Joseph Beuys’ im Haus vollzogene Aktion „Raum mit Fettfleck“ als solche zu sehen. In der Literatur heißt das Werk „Chaotische Energie“. Ein treffender Begriff auch für das, was das Geschehen antrieb im ab 1974 von den dort beheimateten kulturell, sozial und politisch aktiven Gruppen selbstverwalteten KOMM. Energie, die auch gesellschafts- und kulturpolitische Entwicklungen in Gang brachte. Manchem Politiker war das suspekt, was schließlich in den Massenverhaftungen von 1981 gipfelte, als der bayerische Innenminister nach einer Demo das KOMM umstellen und alle anwesenden Personen festnehmen ließ. Julia Lehner diskutierte an diesem Abend mit befreundeten Juristen die Vorgänge und dachte: „Das kann doch nicht sein.“

Diskussionsstoff bot das Künstlerhaus immer. Debattiert wurde viel darin und viel darüber. Über die Selbstverwaltung, die 1997 ein Ende fand, den Glasanbau, die Neuausrichtung unter dem Namen Kultur- und Kommunikationszentrum K4, die Eingliederung in das Konzept KunstKulturQuartier, innerhalb dessen das Haus wieder Künstlerhaus genannt wird. Und damit unter seinem ursprünglichen Namen 100. Geburtstag feiern kann. Mit vielen seiner Nutzer: dem 25-jährigen Bildungsbereich, Musikverein und Jugendinformation, die 30. feiern, oder dem FilmhausKino, das auf zehn sehr erfolgreiche Jahre im Haus blickt. Am Wochenende zeigt es nicht nur Filme, es lässt auch das „Chaihaus“ auferstehen - für alle, die es kennen. Und alle, die sich fragen: Was ist das eigentlich? uma

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