Bub in Fürth völlig abgemagert: Mutter festgenommen
FÜRTH - Ein unterernährter und vernachlässigter Bub ist in Fürth in ein Krankenhaus gebracht worden. Nach Auskunft des Arztes schwebte der Vierjährige am Dienstag in Lebensgefahr, wie die Polizei Nürnberg am Mittwoch mitteilte.
Sven wird bald fünf Jahre alt – wenn die Ärzte es schaffen, ihn durchzubringen. Sven, von Geburt an schwerst behindert, wurde am Dienstagvormittag ins Fürther Klinikum eingeliefert, er schwebt in Lebensgefahr. Seine Mutter Sandra R. (29) hatte den Notarzt gerufen, als Sven von Durchfall gequält wurde: Der Junge wog nur noch acht Kilogramm, hatte Entzündungen und Druckstellen. Der Arzt ließ das Kind in die Klinik bringen – und rief die Polizei. Die Mutter wurde festgenommen, ihr Lebensgefährte Marc P. (31) nicht. Reiht sich Svens Schicksal in die unzähligen, vorsätzlichen Kindesmisshandlungs-Fälle ein? Oder ist der Fürther Fall eine Tragödie?
Erst seit dem Frühjahr lebt Sandra R. in Fürth. Das Jugendamt hörte am Dienstag zum ersten Mal von Sven. Peter Modschiedler, Vize-Chef des Jugendamts: „Die Frau hat in einem anderen Bundesland die Situation als Mutter eines schwerstbehinderten Kindes verantwortungsbewusst und zuverlässig gemeistert. Ihr stand auch ein familienentlastender Dienst zur Seite.“ Beschwerden gab es keine. Sven kann nicht sitzen, nicht laufen, nicht selbständig essen. Spastische Lähmungen und Epilepsie fesseln ihn ans Bett.
Sandra R. lernte den Computerspezialisten Marc P. aus Fürth kennen. Nach einem gemeinsamen Urlaub im August 2009 stand fest: Wir drei ziehen zusammen. Marc P.: „Seit ich Sven kenne, ist das Kind mager.“ Er hatte mit der Pflege nichts zu tun, sagt er. „Es ist für mich schwierig: Mit Sven ist keine Kommunikation möglich, Sandra aber kann zumindest seine Schreie und Laute deuten.“ Was sich Montag und Dienstag abspielte, sei für ihn „nicht wahrnehmbar“ gewesen. Der 31-Jährige: „Sandra fiel nicht auf, dass die Magensonde nicht mehr richtig funktionierte. Dazu kam dann der Durchfall, sie rief den Notarzt.“ Da blieb auch Marc P. nicht verborgen, dass Sven nun „eingefallen“ und „sehr mager“ war. Aber er betont: „Sven wurde nicht über Wochen hinweg misshandelt oder vernachlässigt. Aber auch ich habe durch die fehlende Aufmerksamkeit Schuld. Das ist ein unverzeihlicher Fehler.“
Die Polizei allerdings geht von einem „Zeitraum von mehreren Wochen“ aus, in dem Sven „massiv vernachlässigt“ wurde. Peter Modschiedler vom Jugendamt: „Der Junge hatte mehrere Entzündungen, war wund gelegen, nicht richtig versorgt.“ Dass Svens Leben auch im Mietshaus in der Fürther Amalienstraße beinahe unerkannt blieb, ist für Modschiedler logisch: „Das Kind war ja nie draußen.“
Nach dem Umzug wollte Sandra R. Sven bei der Lebenshilfe anmelden. Marc P.: „Im Stress nach dem Umzug ist das nach hinten gerutscht. Wenn ich vorher gewusst hätte, was passiert, hätte ich darauf gedrängt, dass sich Sandra schnell Hilfe holt. Aber sie hat bis dahin Svens Pflege sehr gut gemacht.“ Die Mutter wurde gestern dem Haftrichter vorgeführt.
Susanne Will
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