Brennpunkt Passau: Das große Schleuser-Problem
Die hohe Zahl der Flüchtlinge hat Folgen für die Strafjustiz: In mehreren Bundesländern gibt es einen starken Anstieg der Ermittlungsverfahren gegen Schleuser. Allen voran steht Bayern mit über 1300 Fällen allein im ersten Halbjahr – das ist geschätzt knapp die Hälfte aller Ermittlungsverfahren gegen Schleuser bundesweit. Der Brennpunkt ist Passau.
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Woher kommen die Schleuser? Festgenommen werden nicht die Organisatoren, sondern das Fußvolk, das die Flüchtlinge die letzte Etappe über die deutsche Grenze transportiert. Diese Fahrer kommen aus aller Herren Länder: Es seien anerkannte Asylbewerber, die sich anschließend selbst als Schleuser betätigen. Vermehrt seien es aber Ungarn, sagt ein Sprecher der Bundespolizei. Das Honorar für eine Schleusung liegt je nach Angebot bei bis zu 20.000 Euro. Die Fahrer werden pro Kopf bezahlt.
Wie viele verdächtige Schleuser sitzen in Bayern in Haft? Gut 600 Menschen. Das teilt eine Sprecherin des Justizministeriums in München mit. Im Zentrum steht Passau an der österreichischen Grenze, die erste deutsche Stadt auf einer der zwei Hauptflüchtlingsrouten.
Welche Folgen hat das auf das Passauer Gefängnis? Dort werden so viele mutmaßliche Schleuser festgesetzt, dass im historischen Gefängnis in der Altstadt der Platz fehlt. Die Zahl der Untersuchungshäftlinge übersteigt die Zahl der Haftplätze um fast das Fünffache. „Wir haben aktuell rund 350 Haftsachen wegen Schleusungen“, sagt Sprecherin Ursula Raab-Gaudin. In der JVA Passau gebe es aber nur 75 Haftplätze. Deswegen müssen die Passauer Häftlinge auf andere Gefängnisse verteilt werden.
Sperren die bayerischen Amtsrichter zu schnell ein? Tatsächlich scheint man im Freistaat schneller hinter Gitter zu wandern als in anderen Bundesländern. Unter den Flächenländern rangiert Bayern mit rechnerisch 86,4 Gefangenen pro 100.000 Einwohnern nach Nordrhein-Westfalen (90,3) an zweiter Stelle. In Baden-Württemberg sitzen dagegen pro 100.000 Einwohner nur 62,5 Personen in Haft, in Schleswig-Holstein nur 45,3 Gefangene pro 100.000 Bewohner.
Wie sieht’s in anderen Bundesländern aus? In Sachsen-Anhalt saß Ende Juli kein einziger mutmaßlicher Schleuser in U-Haft. In Baden-Württemberg war nur ein Beschuldigter im Gefängnis, obwohl Anwälte 147 Verfahren einleiteten.
Gibt’s Kritik an der bayerischen Praxis? Ja. Florian Streibl (Freie Wähler), Sohn von Ex-Ministerpräsident Max Streibl, kritisiert, dass in den bayerischen Justizvollzugsanstalten viele Personen säßen, die dort eigentlich nichts verloren hätten. Denn in Bayern würden viele Menschen schon „wegen geringer Anlässe weggesperrt“. Jetzt fehlten die Haftplätze für die wahren Verbrecher wie Schleuser und Menschenhändler, so Streibl. Es sei weder klug noch ökonomisch, möglichst viele Menschen wegzusperren, meint der Rechtspolitiker. Immerhin kostet ein Gefangener den Steuerzahler pro Jahr 30.000 Euro.
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